Berlinfahrt 2023 – Besuch im Bundestag
»Das Gespräch im Bundestag beleuchtete vor allem die übermäßige Belastung internationaler Studierende durch strukturelle Hürden […].«
Deitra Myers
Stipendiatin | Internationale Beziehungen (Master),
FU Berlin, Humboldt Uni Berlin, Uni Potsdam
Eine Gruppe von Stipendiaten war im September in Deutschlands Hauptstadt unterwegs. Unter anderem stand ein Besuch im Bundestag auf dem Programm. Mit zwei Bundestagsabgeordneten diskutierten die Studierenden über Chancengerechtigkeit im Bildungswesen und Beruf. Vom Besuch im Bundestag berichtet Politikwissenschaftsstudentin Deitra Myers.
Es war der 21. September 2023, ein Tag, der nicht nur durch viel Sonnenschein geprägt war, sondern auch durch die Chance, mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages ins Gespräch zu kommen. Die Türen des politischen Herzstücks Deutschlands öffneten sich für uns Stipendiaten der Arthur-Pfungst-Stiftung und der Peter Fuld Stiftung im Rahmen einer dreitätigen gemeinsamen Reise nach Berlin. Inhaltlich ging es in dem Austausch um Chancengerechtigkeit im Bildungswesen und Beruf, insbesondere in Hinsicht auf Migrationspolitik – ein wichtiges Anliegen beider Stiftungen, zumal ein beträchtlicher Anteil der Stipendiaten selbst familiäre Migrationsbiographien aufweisen.
Nach etlichen Sicherheitskontrollen und dem Mittagessen in der Kantine sind wir in den Sitzungssaal des Paul-Löbe-Haus angekommen. Als Gesprächspartner nahmen die Abgeordneten Alexander Müller und Johannes Vogel (FDP) sich Zeit für uns. Dabei wurden die zentralen Herausforderungen für Deutschlands Einwanderungspolitik in Bezug auf internationale Studierende und Fachkräfteeinwanderung sowie Chancenberechtigung und Teilhabe für Menschen mit Migrationsgeschichte ausgelotet und kritisch diskutiert. Das Gespräch beleuchtete vor allem die übermäßige Belastung internationaler Studierende durch strukturelle Hürden wie das bestehende Einwanderungssystem und mangelnde finanzielle Unterstützung. Der Studienbeginn bringt die Einrichtung eines Sperrkontos um 10.000 Euro, langwierige Anerkennungsprozesse des Hochschulzugangs und erhebliche Restriktionen der Erwerbstätigkeit mit sich. Dabei sind internationale Studierende von öffentlicher Ausbildungsförderung des Bundes ausgeschlossen, wobei deren Berechtigung auch oft eine Förderungsgrundlage für weitere öffentliche sowie nichtöffentliche Stipendien bildet. Nach dem Studium sieht es nicht viel besser aus: ohne eine direkt anschließende Erwerbstätigkeit mit entsprechender Qualifizierung droht die Ausreise aus Deutschland. Ein Unfug meines Erachtens, wenn gerade Fachkräftemangel in aller Munde ist.

Neben dem Deutschen Bundestag besuchten die Stipendiaten auch das Denkmal für die ermordeten Juden Europas.
Unsere Gesprächspartner hoben die Notwendigkeit einer zeitgemäßen Einwanderungspolitik hervor, die auf den Prinzipien der Freiheit und individuellen Entfaltung basiert. Im Zentrum ihrer Antwort steht die jüngst verabschiedete Änderung zum Aufenthaltsgesetz – bezeichnet als Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Dies beinhaltet eine Fülle an Vereinfachungen oder Erleichterungen im bereits bestehenden Gesetz. Darunter der Verzicht auf die Verbindung zwischen Qualifikation und Beschäftigung, die Erhöhung der bisher erlauben Arbeitszeit für Studierende von 120 ganzen/240 halben Tagen auf 140 ganzen/280 halben Arbeitstage im Jahr bis hin zur Einführung der Chancenkarte zur Arbeitssuche, die auf ein Punktesystem ähnlich wie in Kanada beruht.
Auch für deutsche Staatsbürger mit Migrationsgeschichte gilt es, ihre Aufstiegschancen in Bildungseinrichtungen und in der Berufswelt zu entfalten. Dabei stellt Herr Vogel drei Aspekte in den Vordergrund: mehr Autonomie der Bildungseinrichtungen am Beispiel Skandinavien, Förderung der Elementarpädagogik und mehr Förderung für das Schulwesen an sozialen Brennpunkten, insbesondere durch die Gründung sogenannter Talentschulen. Die Abgeordneten sicherten zu, die Anliegen ernst zu nehmen. Insbesondere zum Thema Stipendienförderung soll geprüft werden, unter welchen Voraussetzungen internationale Studierende ausgeschlossen werden und ob hier ggf. nachgesteuert werden müsste. Das Gespräch im Bundestag markierte somit nicht nur einen Dialog zwischen politischen Entscheidungsträgern und uns Stipendiaten, sondern auch einen Schritt in Richtung einer progressiveren Einwanderungspolitik in Deutschland. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die diskutierten Ideen weiterverfolgt und umgesetzt werden und welche Entwicklungen auf diesem Gebiet in der Zukunft zu erwarten sind.