Universität Kyoto: Auslandsjahr in Japan
Stipendiat und Jurastudent Niels Bandelow hat ein Auslandsjahr an der Ritsumeikan Universität in Kyoto absolviert. Von seinen Erfahrungen und Herausforderungen sowie den kulturellen Unterschieden zwischen Japan und Deutschland erzählt er in seinem Bericht.

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Erfahrungsbericht
von Niels Bandelow
Wenn man an Japan denkt, hat man einige Bilder im Sinn – sei es komplizierte Schriftzeichen, bunte Anime oder köstliches Sushi. Für viele bleibt das Land aber ein Rätsel. So ging es auch mir, als ich zu meinem Auslandsjahr nach Kyoto aufbrach. Und manchmal geht es mir, selbst nach einem Jahr vor Ort, auch heute noch so.
Im vergangenen Jahr habe ich für zwei Semester an der Ritsumeikan University in Kyoto studieren, mit Fokus auf einen Intensivsprachkurs. Was ich schnell merkte: Japan ist ein Land der Widersprüche. Einerseits ist es für seine moderne Infrastruktur und innovative Technik bekannt, andererseits tief in Traditionen verwurzelt. Gerade in Kyoto – der „Kulturhauptstadt“ Japans – stehen jahrhundertealte Tempel und Schreine mitten zwischen Hochhäusern. Doch diese Widersprüche zeigten sich nicht nur im Stadtbild, sondern auch im gesellschaftlichen Leben. Die japanische Kultur zeichnet sich durch ein hohes Maß an Respekt und Zurückhaltung aus, was die zwischenmenschliche Nähe, selbst unter engen Freunden, oft einschränkt. Gerade als Ausländer fühlte ich mich immer etwas außerhalb der Gesellschaft. Auf der anderen Seite habe ich große Hilfsbereitschaft von Japaner*innen erfahren, immer wenn ich darauf angewiesen war.
Überrascht hat mich die große Faszination vieler Japaner*innen für Deutschland. Einige Studierende lernen sogar Deutsch als zweite oder dritte Fremdsprache und planen in der Zukunft einen Auslandsaufenthalt in Deutschland. Alltäglich begegnete ich vermeintlich deutschen Produkten – von Frankfurter Würsten über Bier und Glühwein bis hin zu Baumkuchen, der in Japan ausgesprochen beliebt ist.
Die größte Herausforderung war jedoch die Sprachbarriere. Ich war es aus meinem akademischen Umfeld gewöhnt, dass nahezu jeder fließend Englisch spricht. Das war in Japan völlig anders: Selbst an der Universität beherrschten die Studierenden und Lehrenden kaum Englisch – und umgekehrt wir ausländischen Studierenden kaum Japanisch. Ich hatte bereits zur Vorbereitung einige Semester lang einen Japanisch-Sprachkurs an meiner Heimatuniversität besucht. Trotzdem stieß ich anfangs selbst bei ganz einfachen Gesprächen schnell an meine Grenzen. In den ersten Wochen lernte ich aber schnell die notwendigen Ausdrücke, um durch den Alltag zu kommen – viel lief auch über nonverbale Kommunikation. Eine besondere Schwierigkeit stellten die sogenannten „Kanji“ dar, also die japanischen Schriftzeichen. Hiervon gibt es in der japanischen Sprache je nach Zählung circa 50.000 Stück, von denen jedoch glücklicherweise „nur“ noch knapp 3.000 verwendet werden. Jedes Schriftzeichen repräsentiert eine Bedeutung oder Idee, kann aus bis zu 30 einzelnen Strichen bestehen und hat mehrere Lesarten, die je nach Kontext variieren.

Niels Bandelow | Stipendiat, Rechtswissenschaften (Staatsexamen), Universität Freiburg
»Japan ist ein Land der Widersprüche.«
Besonders positiv im Gedächtnis geblieben sind mir die Begegnungen mit Einheimischen. In kleinen Teehäusern oder Geschäften ergaben sich oft unerwartete Gespräche. Ein besonders einprägsames Erlebnis war der Besuch eines traditionellen Teeladens, dessen Besitzer sich freute, dass mein Freund und ich uns auf Japanisch verständigen konnten. Er lud uns ein, seinen kaltgebrühten Grüntee zu probieren, und unterhielt sich über eine Stunde mit uns über sein Leben und unsere kulturellen Erfahrungen mit Japan. Solche Erfahrungen haben mir gezeigt, wie wertvoll es sein kann, eine neue Sprache zu lernen und in eine fremde Kultur einzutauchen.
Die Rückkehr aus Japan war dafür umso schwieriger. In den ersten Tagen und Wochen musste ich mir aktiv abgewöhnen, mich zur Begrüßung zu verbeugen. Auch die Landessprache stellte sich als Umgewöhnung heraus – nach Monaten, in denen einfache Gespräche im Supermarkt eine kleine Herausforderung waren, fühlte sich die Leichtigkeit der Kommunikation in Deutschland fast ungewohnt an.
Im Ausland habe ich nicht nur eine neue Sprache und Kultur kennengelernt, sondern auch Freunde fürs Leben und eine zweite Heimat gefunden. Vor allem hat mich Japan aber gelehrt, dass Mut sich auszahlt. Es hat mich viel Energie gekostet, mich im Alltag zurechtzufinden, und jedes Gespräch war eine Überwindung. Aber jedes Mal, wenn ich meine Komfortzone verließ, bin ich daran gewachsen. Für diese Erfahrungen bin ich unglaublich dankbar und ich kann nur dazu ermutigen, die eigene Komfortzone hin und wieder zu verlassen.