Akademische Mobilität:
Auslandsaufenthalte von Stipendiat*innen

In den letzten Jahren hat internationale akademische Mobilität stark zugenommen. Auch im Rahmen der Stipendienförderung der Dr. Arthur Pfungst-Stiftung spielen Auslandsaufenthalte eine immer größere Rolle. Wir lassen drei Stipendiatinnen zu Wort kommen, die im Ausland Erfahrungen sammeln durften und stellen Ihnen Fakten zum EU-Programm Erasmus+ sowie zur Studierendenmobilität vor. Diese Daten beruhen, wenn nicht anders angegeben, auf Erhebungen aus dem Jahr 2019.


 

Studienexkursion nach Madagaskar

Laura Gómez Devia | Stipendiatin | Biodiversity and Collection Management (Master), Technische Universität Dresden

 

Frau Gómez Devia, Sie waren im Rahmen Ihrer Masterarbeit für zwei Monate auf Exkursion in Madagaskar. Was haben Sie dort genau gemacht?
Das Ziel meiner Exkursion nach Madagaskar war es, den Einfluss der Temperatur auf die funktionellen Eigenschaften von Früchten zu untersuchen. Dazu habe ich wegen der durch Höhenunterschiede verursachten Temperaturunterschiede Zuckergehalt, Größe, Härte, Farbe und Geruch von Früchten verschiedener Arten über einen Berg hinweg untersucht. Diese Fruchtmerkmale wurden so geformt, dass sie den Bedürfnissen und sensorischen Fähigkeiten der Tiere entsprechen, die sie fressen. Dies geschah durch eine lange koevolutionäre Geschichte, die eine starke wechselseitige Beziehung zwischen Pflanzen und Tieren entwickelt hat. Während Tiere notwendige Nährstoffe aus dem Fruchtfleisch erhalten, können Pflanzen ihre Samen verteilen, was es ihnen ermöglicht, neue Lebensräume zu besiedeln und ihnen einen Vorteil im Wettbewerb verschafft. Da sich Früchte jedoch auch an Umweltveränderungen anpassen müssen, war es wichtig zu verstehen, welche möglichen Auswirkungen steigende Temperaturen aufgrund des Klimawandels auf sie haben könnten. Eine Änderung ihrer Merkmale könnte zu einer Beeinträchtigung der Art und Weise führen, wie frugivore Tiere sie identifizieren. Eine Folge könnte sein, dass ganze Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten, denn durch den Ausbreitungsprozess durch Tiere werden Wälder regeneriert und die Biodiversität erhalten.

 

»Ein Auslandsaufenthalt ist eine der bereicherndsten Erfahrungen.«

 

Wie haben Sie Ihren Auslandsaufenthalt vorbereitet und finanziert?
Um meine Reise zu planen, brauchte ich die Hilfe vieler Menschen. Um zu lernen, wie ich meine Proben sammeln kann, wurde ich von Dr. Omer Nevo, Nachwuchsgruppenleiter der Evolutionary Ecology Group (iDiv Institut, Leipzig) und Doktorand Linh M.N. Nguyen betreut. Sie halfen mir auch, all die Dinge zusammenzustellen, die ich brauchte, um mich während der Expeditionen wohl zu fühlen, z.B. eine Luftmatratze, eine Laterne, Gummistiefel, ein Zelt und so weiter. Andererseits musste ich zu einem Tropenarzt und mir 7 verschiedene Impfstoffe und ein Rezept für Anti-Malaria-Pillen besorgen. Außerdem halfen mir in Madagaskar die Mitarbeitenden der Biodiversitätspartnerschaft „MICET“ und „Centre ValBio“ mit allen Dokumenten, die bis zu meiner Ankunft fertig sein mussten, unter anderem mein Visum und die Forschungserlaubnis. Mit der Unterstützung der Dr. Arthur Pfungst-Stiftung konnte ich die Flug- und Zugtickets und Auslandskrankenversicherung finanzieren. Der Aufenthalt im Forschungszentrum wurde von der „Evolutionary Ecology Group“ vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) finanziert sowie aus persönlichen Mitteln.

Stipendiatin Laura Gómez Devia untersuchte auf Madagaskar den Einfluss der Temperatur auf die funktionellen Eigenschaften von Früchten.

Was war Ihre Motivation für die Exkursion im Ausland?
Für meine Masterarbeit wollte ich Teil eines Projekts sein, das es mir ermöglicht, meine großen Leidenschaften zu vereinen: Chemische Ökologie und Feldforschung. Ich musste mich mit vielen Forschungsgruppen und Institutionen in Deutschland beschäftigen, um etwas zu finden, das mir dies ermöglichte. Bis ich eines Tages, das werde ich nie vergessen, im November 2021 die Webseite der Evolutionary Ecology Group fand und Kontakt mit dem Evolutionsökologen Omer Nevo aufnahm. Ich schickte ihm meinen Lebenslauf und meine Referenzen. Bei dem dann folgenden Vorstellungsgespräch schlug er mir dann das Projekt in Madagaskar vor. Ich denke, es war einer meiner glücklichsten Tage, denn es war ein Traum von mir, nach Madagaskar reisen zu können, einem Hotspot der Biodiversität, um seine Flora und Fauna zu studieren.

Was war Ihre schönste und was Ihre herausforderndste Auslandserfahrung?
Es war eines der wunderbarsten Dinge, die ich je gemacht habe, aber es war auch sehr herausfordernd für mich. Es war unglaublich in einem so anderen und artenreichen Land sein zu können. Die Leute waren sehr nett und gastfreundlich. Ich tat mein Bestes, um mich in die Kultur zu integrieren, auch wenn ich nur für so kurze Zeit dort sein konnte, und ich lernte einige grundlegende Wörter wie: „azafady“ (bitte) und „salam“ (Guten Morgen). Ich liebte alle Begegnungen mit den Tieren, so erstaunliche Kreaturen, die nur auf dieser Insel zu finden sind, wie die Lemuren, Chamäleons, der satanische Gecko und viele mehr, aber auch die riesigen Baobabs, diese erstaunlichen Bäume, die bis zu 800 Jahre alt sein können! Eine Frau und Leiterin eines Forschungsteams zu sein, erforderte jedoch viel Kraft. Ich musste mit vielen Verantwortlichkeiten umgehen und mich gleichzeitig durch die kulturellen Unterschiede navigieren. Auch der Dschungel selbst stellte einige Herausforderungen dar, ebenso wie der zeitweilige Regen, die Blutegel und das lange Schlafen im Zelt. Dennoch, wenn ich zurückblicke auf den Sternenhimmel, die Geräusche des Dschungels und die Ruhe, die ich dort gefunden habe, kann ich nur davon träumen, an so einem Ort im Herzen der Natur zurückzukehren.

Für ihre Masterarbeit hat Laura Gómez Devia verschiedene Proben von Früchten gesammelt.

Inwieweit hat der Aufenthalt in Madagaskar Sie in Ihrer Persönlichkeitsentwicklung gestärkt?
Mein Aufenthalt in Madagaskar hat meine persönliche Entwicklung sehr geprägt. Die Expeditionen in den Dschungel erforderte viel geistige und körperliche Kraft. Die gesamte Erfahrung war völlig neu gegenüber dem, was ich zuvor getan oder gesehen hatte. Aber jeder neue Schritt bedeutete neue Lektionen und neue Entdeckungen. Da ich keinen Zugang zum Internet oder Telefon hatte, hatte ich außerdem die Möglichkeit, mich von all den Reizen zu lösen, die uns immer umgeben, um die einfachen und wunderbaren Dinge des Lebens zu schätzen.

Glauben Sie, dass Ihre Auslandserfahrung Ihnen auch beruflich weiterhelfen wird?
Auf jeden Fall! Der Aufenthalt verdeutlichte mir, wie sehr ich es liebe, in der Nähe der Natur zu arbeiten. Außerdem wurde mir klar, wie erfüllend es für mich war, meine eigenen Proben sammeln zu können und sie dann zu analysieren, die Ergebnisse zu erhalten und sie zu interpretieren. Es war so befriedigend zu sehen, wie sich die harte Arbeit während der Expeditionen in den Ergebnissen widerspiegelte. Daher hat mich diese gesamte Erfahrung dazu inspiriert, mich für PhD-Programme zu bewerben, die es mir ermöglichen, diese Forschungslinie fortzusetzen, und mir gleichzeitig die Möglichkeit geben, neue Orte zu entdecken.

Was würden Sie anderen Studierenden sagen, die darüber nachdenken, ein Auslandsaufenthalt zu machen?
Ich würde ihnen sagen, dass ein Auslandsaufenthalt eine der bereicherndsten Erfahrungen ist, das kann ich auch als in Deutschland lebende Kolumbianerin sagen. Im Ausland zu sein öffnet uns die Augen für neue Kulturen, verbindet uns mit anderen Realitäten und lässt uns erkennen, wie vielfältig die Welt ist. Gleichzeitig ermöglicht es uns, das zu schätzen, was wir haben, da wir es durch den Abstand oft dann vermissen und mit einem anderen Blickwinkel sehen können. Um es jedoch wirklich zu genießen, ist es sehr wichtig, den Geist zu öffnen und nicht zu urteilen, sondern zu verstehen, dass alles, was wir als normal betrachten, völlig anders ist als bei anderen Menschen.


 

Auslandssemester in Norwegen

Marie Angela Sidoti Abate | Stipendiatin | Medizin (Staatsexamen), Universität Heidelberg

Frau Sidoti Abate, Sie verbringen derzeit ein Auslandssemester in Oslo, Norwegen. Wie haben Sie ihr Auslandsstudium organisiert und finanziert?
Die Organisation war über das Erasmus-Programm meiner Universität relativ einfach. Für die Bewerbung habe ich Sprach- und Leistungsnachweise sowie ein Motivationsschreiben benötigt; die Partneruniversität in Oslo hat einen für dortige Verhältnisse günstigen Wohnheimplatz gestellt. Zur Finanzierung wurden allen Erasmusstudierenden Fördermittel des Erasmusfonds gestellt; da ich für keine anderen Auslandsstipendien berechtigt war, habe ich freundlicherweise Unterstützung von der Dr. Arthur Pfungst-Stiftung bekommen, ohne die mein Auslandssemester nicht möglich gewesen wäre und wofür ich sehr dankbar bin. Dank des norwegischen „Allemannsretten“ (Jedermannsrecht) durfte man kostenlos fast überall zelten, wodurch die verschiedenen Ausflüge recht günstig geworden sind; trotz der hohen Preise in Norwegen sind viele Veranstaltungen für Studierende gratis oder reduziert, worüber sich mein Geldbeutel sehr gefreut hat. Ein Beispiel: Ich war Teil einer Jugendorganisation für klassische Musik und habe mir viele Konzerte der Philharmonie kostenlos anschauen können.

Was war die Motivation für Ihren Auslandsaufenthalt?
Verschiedene Gründe haben mich dazu bewegt, mich auf ein Erasmus-Semester zu bewerben. Skandinavischen Ländern wird häufig Lob für ihr Gesundheitssystem und den Lebensstil im Sinne von Work-Life-Balance erteilt. Ich wollte wissen: Wie wird der Alltag gehandhabt? Und ist alles Gold, was glänzt? Zudem wollte ich erfahren, wie die Lehre in einem anderen Land strukturiert ist, da ich mir neben dem Klinikjob vorstellen könnte, in der späteren Zukunft als Dozentin tätig zu sein. Was kann ich zurück nach Deutschland bringen und was nicht? Die Melodie der Sprache klang für mich wunderschön und als Berg- und Naturliebhaberin fiel die Wahl ganz klar auf Norwegen.

Welche Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede im Hochschulalltag haben Sie im Vergleich zu Deutschland erlebt?
Die Hochschulsysteme in Deutschland und Norwegen haben relativ viele Schnittpunkte: Die Vorlesungen haben eine ähnliche Struktur und die Qualität hängt vom Dozierenden ab, manche stecken viel Aufwand und Leidenschaft rein, manche nicht so sehr. Generell wird weniger Detailwissen verlangt, dafür sollte man sich mit den Grundlagen besonders gut auskennen. Da jeder im Rahmen der Facharztspezialisierung in Norwegen zuerst Allgemeinmediziner wird und dieser mehr Aufgaben als in Deutschland hat (z.B. Schwangerschaftsuntersuchungen), enthält das Studium mehr praktische Einheiten als in Deutschland. Das fand ich besonders schön, denn die praktische Anwendung des Erlernten hilft mir generell sehr, das theoretische Wissen zu festigen.

Chormitglieder bei einem Weihnachtskonzert im Altenheim.

Was war Ihre schönste und was Ihre herausforderndste Erfahrung in Norwegen?
Ich werde mit der herausforderndsten Erfahrung anfangen: Die winterliche Dunkelheit kann sehr auf die Stimmung drücken. Um dieser entgegenzuwirken, habe ich mich viel mit anderen Sachen beschäftigt, vor allem hat mir das Singen im Chor geholfen sowie lange Spaziergänge am Sognsvann, einem See, bei dem ich gewohnt habe. So hat sich die Seele schnell wieder aufmuntern lassen. Die schönste Erfahrung… es ist schwer, nur eine zu nennen. Im Krankenhaus durften wir für eine Woche bei Geburten zuschauen und assistieren: Dort habe ich meine erste Geburt gesehen, das Gefühl ist unbeschreiblich. Das ist vielleicht das Schönste, was ich je in meinem Leben gesehen habe. Mit dem Chor haben wir ein Weihnachtskonzert in einem Altenheim veranstaltet, die Bewohner und Mitarbeiter des Altenheims waren sehr dankbar und gerührt, darüber habe ich mich sehr gefreut. Im Sommer habe ich kurze „Solo-Trips“ unternommen und war allein wandern und zelten. Auch das war für mich eine wunderschöne Erfahrung, um sich selbst zu finden und zur Ruhe zu kommen.

Inwieweit hat der Aufenthalt in Norwegen Ihre Persönlichkeitsentwicklung gestärkt?
Man lernt nicht nur, mit interkulturellem Dialog besser umzugehen, sondern für mich war es eine Chance, meine Problemlösefähigkeiten zu verbessern, mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln und zu stärken. Ich habe viele neue Aktivitäten ausprobiert, mehr Verbundenheit zur Natur aufgebaut und wertvolle Freunde gefunden. Ich habe an meiner Anpassungsfähigkeit gearbeitet und gelernt, mit weniger zu leben. Auch habe ich mein Zuhause in Deutschland noch mehr wertschätzen gelernt.

 

»[…] für mich war es eine Chance, meine Problemlösefähigkeiten zu verbessern, mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln und zu stärken.«

 

Welche Tipps können Sie anderen Studierenden geben, die für ein oder mehrere Semester im Ausland studieren möchten?
Ich würde empfehlen, den Kontakt zu den Einheimischen zu suchen. Damit kann man sich am besten mit der Kultur auseinandersetzen, so habe ich z.B. mit norwegischen Freunden eine „hyttetur“ (Hüttenausflug) erleben können und „pinnekjøtt“ (norwegisches Weihnachtsgericht mit Lamm) gekocht. An jeder Universität gibt es zahlreiche Vereine, denen man sich anschließen und neue Leute kennenlernen kann, mit denen man gemeinsame Hobbys hat. Ansonsten ist ein Auslandssemester eine ausgezeichnete Möglichkeit, um eine Sprache zu lernen und in diese einzutauchen! Es ist meiner Meinung nach wichtig die Erfahrung zu machen, dass man auch schwierige Zeiten erleben, aber sie überwinden kann. Egal welche Ziele du hast: Probiere was Neues aus und „ha det gøy“ (hab‘ Spaß)!


 

Praktikum in Peru

Monika Urban | Stipendiatin | Kulturstudien zu Lateinamerika (Master), Universität Bonn

Vier lange Stunden sind wir unterwegs durch den tiefsten Regenwald – vorbei an pelzigen Tausendfüßlern, Schmetterlingen aller Farben, sowie Pflanzen und Insekten, die ich zuvor noch nie gesehen habe. Schließlich kommen wir an im Ort Ibama, an dem die Sonne und der Mond auf die Matsés scheinen, so die Übersetzung des Ortsnamens. Die Matsés sind eine indigene Gemeinschaft, ursprünglich angesiedelt im Osten des peruanischen Regenwaldes an der Grenze zu Brasilien und zeichnen sich durch ihr traditionelles Wissen über Heilpflanzen, Kunsthandwerk und ihre Verbundenheit mit der Natur aus, welches von ihren Ahnen übermittelt wurde. Vor einigen Jahren ließ sich eine Gruppe der Matsés in einem neuen Territorium am Fluss Shihua nieder und stellt sich seitdem Herausforderungen wie der Anerkennung des Territoriums als Lebensraum, der Beschaffung von Medikamenten und sauberem Wasser sowie der Gründung einer Schule. Während meines dreimonatigen Praktikums bei INFOE e.V., dem Institut für Ökologie und Aktions-Ethnologie, lernte ich im Rahmen der Vorbereitungsmeetings für die UN-Klimakonferenzen verschiedene indigene Repräsentanten kennen und tauschte mich über die Themen Nachhaltigkeit, indigenes Wissen und ihre Kosmovision aus. So kam es dazu, dass ich eingeladen wurde, einige Zeit bei den Matsés im Amazonas zu verbringen. Ich nahm die Einladung an.

Die Matsés, eine indigene Gemeinschaft im peruanischen Regenwald, besuchte Stipendiatin Monika Urban für ihre Masterarbeit.

Da ich mit meiner Masterarbeit erforschen möchte, inwieweit indigene Gemeinschaften in die UN-Klimakonferenzen eingebunden sind und worauf die fehlende Teilhabe zurückzuführen ist, obwohl Entscheidungen über ihre Lebensräume getroffen werden. Es fühlte sich nicht richtig an, meine Masterarbeit diesem Thema zu widmen, ohne die Lebensrealität der Gemeinschaften und ihre Verbundenheit mit der Umwelt hautnah miterlebt zu haben. So durfte ich die Matsés einige Tage bei ihrem Alltag im Regenwald begleiten. Ich lernte die chacras, die Landgüter, kennen, wo die Hauptnahrungsmittel wie Kochbananen, Ananas und Maniok angebaut werden. Außerdem sah ich, wie das Kunsthandwerk aus Naturmaterialien hergestellt und Häuser auf traditionelle Weise – mit Lianen statt Nägeln – gebaut werden. Dabei widmen sich die Frauen der chacras und die Männer der Jagd und der Beschaffung der Materialien für den Bau der Häuser. Da es keine Elektrizität gibt, ist der Tagesablauf vollkommen auf die Natur abgestimmt. Der Tag beginnt mit dem Sonnenaufgang und endet mit dem Sonnenuntergang, sodass man bereits um 20 Uhr in der Hängematte liegt .Da ich als erstes Mitglied von INFOE Ibama besuchen durfte, ging es vor allem darum, die Ausgangssituation zu erfassen. In einer Versammlung mit allen Angehörigen der Gemeinschaft besprachen wir, welchen Herausforderungen sich die Matsés zu stellen haben und wie INFOE ihnen bei der Bewältigung dieser zur Seite stehen kann. So sollen in naher Zukunft Solarmodule in Ibama installiert werden, um die Gemeinde mit ausreichend Strom zu versorgen und für mehr Licht und somit Sicherheit zu sorgen. Außerdem gibt es Angehörige der Gemeinde, die ein Handy haben und dieses aufladen müssen, um auf dem 6-stündigen Weg in die Stadt Kontakt aufzunehmen. Zudem sollen Projekte für die Beschaffung der für die Titulierung des Territoriums nötigen Finanzmittel ins Leben gerufen werden. Die Titulierung gibt der Gemeinde sozusagen das Recht, frei über das Land als Lebensraum zu verfügen. Ohne Titulierung lebt die Gemeinschaft momentan in ständiger Angst davor, dass der peruanische Staat oder andere Gruppierungen in das Territorium eindringen.

 

»[…] In genau solchen Momenten wird einem die Chance geboten, über sich hinauszuwachsen, indem man alles Bekannte hinter sich lässt, um sich auf das Neue einzulassen.«

 

Die Zeit in Ibama war aufgrund der außergewöhnlichen Lebensumstände sehr herausfordernd, jedoch auch überaus bereichernd. Allerdings konnte ich den Menschen und ihrer Lebensweise nur so offen begegnen, da ich in den letzten Jahren bereits Auslandserfahrungen sammeln durfte. Durch meinen Freiwilligendienst in Argentinien und meine zwei Auslandssemester in Argentinien und in Peru während des Bachelorstudiums konnte ich vor allem meine interkulturellen Kompetenzen stärken. So konnte ich den Anwohnern vollkommen offen ohne Vorurteile entgegentreten, was wiederum einen Raum für Begegnungen schuf. Denn letzten Endes sind es die Begegnungen, die einen prägen und auch noch Jahre später begleiten. Natürlich hätte ich mit Ekel reagieren können, als wir Smalltalk hielten und vor mir ein bereits kopf- und pelzloses Faultier für das Abendessen vorbereitet wurde. Aber in genau solchen Momenten wird einem die Chance geboten, über sich hinauszuwachsen, indem man alles Bekannte hinter sich lässt, um sich auf das Neue einzulassen. Nur so kam es zum Austausch über das Thema Nachhaltigkeit und wie diese bei den Matsés definiert wird. Denn das Zusammenleben in Harmonie mit der Natur steht dort an erster Stelle. Da ist es im Sinne der Nachhaltigkeit, Faultiere, Affen und Frösche zu essen, auch wenn dies nicht unbedingt mit unserer Auffassung von ‚nachhaltig‘ übereinstimmt. Aber auch auf persönlicher Ebene haben diese Erfahrungen Auswirkungen. Denn weit weg vom eigenen Zuhause, der Familie und des sozialen Umfelds, in welches wir verstrickt sind, sind die Rollen, mit denen wir uns identifizieren, plötzlich vollkommen irrelevant. Wer bin ich also am anderen Ende der Welt fern von Rollen und Erwartungen? Diese Momente können einem dabei helfen, sich von diesen loszulösen und den eigenen Weg zu finden. Für mich sind Auslandserfahrungen das beste Werkzeug für die Persönlichkeitsentwicklung. Man lernt den eigenen Horizont zu erweitern und dass nicht alles schwarz oder weiß ist; es gibt etliche Grautöne und jeder Mensch bringt seine eigene individuelle Geschichte mit. Dabei bin ich am meisten über mich hinausgewachsen, als nichts nach Plan lief und ich entweder eine Lösung finden oder akzeptieren musste, dass die Dinge nun mal ihren Lauf nehmen. Diese Einstellung konnte ich mit nach Deutschland nehmen und mich so gelassener Herausforderungen stellen. Aufgrund dessen bin ich sehr dankbar für jede meiner Auslandserfahrungen und ermutige alle, den Schritt ins Unbekannte zu wagen.


Die Gemeinde Ibama ist für die Umsetzung der Projekte auf Unterstützung angewiesen und freut sich über jede Spende. Schon kleine Beträge können viel bewirken!

Weitere Informationen und die Möglichkeit zu spenden finden Sie unter folgendem Link: https://gofund.me/6f750ee0

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