Online-Workshop „Debating“: Debattenkultur trainieren

 Im Februar und März nahmen Stipendiaten und Alumni an einem dreiteiligen Online-Workshop zum Thema „Debattieren & Argumentieren im Alltag und Beruf“ teil. Geleitet wurde dieser von Rhetorik-Coach Simon Wolf. Ziel des Workshops war es zu üben, Argumente überzeugend vorzutragen. Von seinen Erfahrungen berichtet Stipendiat Julian Rickert.

Bild: www.freepik.com / pressfoto


Erfahrungsbericht

von Julian Rickert

Die Dr. Arthur Pfungst Stiftung hat in der Vergangenheit zweimal ein Debating-Seminar angeboten, geleitet von Simon Wolf. Letztes Jahr gab es einen Workshop vor Ort und vor kurzem nochmals als Onlineformat, welches inhaltlich auf drei Abende aufgeteilt wurde. Ich konnte an allen vier Terminen teilnehmen und sehr viele Erkenntnisse mitnehmen, die ich ich im Alltag nun auch viel aufmerksamer reflektiere, sei es beim Lesen der Nachrichten bis hin zum Berufsalltag im eigenen Fachbereich. Kommunikation ist immer der Schlüssel! Dabei ist der Begriff der Debatte im Kern allgemein sicher geläufig, dennoch hatte ich vorab viele Fragen zu diesem Thema: Was ist eigentlich das Ziel einer Debatte? Geht es um dauerhaft tragende Kompromisse oder um das bloße „Verkaufen“ von persönlichen oder ideologischen Ansichten? Wie genau lässt sich die Qualität einer Debatte (unabhängig vom Thema und Ergebnis) überhaupt ermessen? Wie reagiert man auf persönlichen Angriff, Polemik, populistische Methoden oder auf „Whataboutism“ (Anm. d. Red.: dies ist eine Technik, auf eine Anschuldigung oder eine schwierige Frage mit einer Gegenfrage zu antworten oder ein anderes Thema aufzugreifen)? Eine Erkenntnis an dieser Stelle: Bei unsachlichen oder ausschließlich emotionalen Aussagen des Gegenübers hilft ein nüchternes, aber präzises Herausstellen eben dieser „vermeidbaren“ Rhetorik, um dem Publikum die „inhaltliche Leere“ zu offenbaren. Dabei kommt es allerdings auch immer auf das Publikum an, ob eher eine empirisch-rationale Argumentation zielführend ist („zentrale Route“) oder auch Elemente der „peripheren Route“ (eher oberflächliche Argumente) sinnvoll sein können, um Sympathie zu erreichen.

Die Seminare waren inhaltlich intensiv und sehr strukturiert aufgebaut. Man hat einen sehr guten Gesamteindruck zur generellen Bedeutung und Komplexität einer guten Debatte bekommen. Besonders interessant fand ich auch die Tatsache, dass es primär um Strategien und die Analyse und Methodik ging und die Debatteninhalte, die ganz demokratisch von den Seminarteilnehmern ausgewählt wurden, eigentlich keine wirkliche Bedeutung hatten. Es geht nämlich weniger um die politische oder philosophische Auseinandersetzung. Konkretes Fachwissen und ausführliche Recherchen sind also nur bedingt von Vorteil. Die initiierenden Fragestellungen sind hier vielmehr als „Test-Dummy“ zu verstehen, um die Technik zu trainieren. Besonders gelungen war auch die praktische Anwendung der frisch gelernten Theorie, um in kleinen Gruppen als Team in den verschiedenen Debatten-Simulationen gegeneinander anzutreten. Dabei handelt es sich tatsächlich mehr um Teamsport, als man bei dieser Thematik erwarten würde. Denn wenn man die rhetorischen und fachlichen Stärken der Teammitglieder kennt und weiß, wer im Plädoyer, im rational-deduktivem Denken, im Allgemeinwissen oder im selbstsicheren Improvisieren seine Stärken hat, so kann dieses Wissen ebenfalls strategisch gezielt eingesetzt werden, insbesondere wenn es um die sportliche Debatte geht, wie sie in Debattierclubs üblich ist.

Julian Rickert | Produktdesign, Hochschule Hannover

 

 

 

»Kommunikation ist immer der Schlüssel!«

 

 

 

 

Bei einer Debatte, egal ob mündlich oder schriftlich, geht es immer um Kommunikation und bei Kommunikation ist bekanntlich das Zuhören der wesentlichste Teil. Dabei sollte immer beides „gehört“ werden: Die eigentliche Information und die oft deutlich wichtigere Metaebene. Also „wie“ oder „warum“ etwas gesagt wird. Kommunikation findet vielmehr zwischen den Zeilen statt und diesen Effekt bewusst zu nutzen ist auch ein wichtiger Aspekt beim Debattieren. Auf das Zuhören folgt die Reaktion, dabei ist ein „nicht reagieren“ gar nicht möglich. Jeder hat schon mal von Kommunikationsmodellen gehört oder von dem Fakt, dass es generell nicht möglich ist, Kommunikation zu unterbinden. Denn auch Passivität, Körperhaltung, Mimik/Gestik, Betonung etc. sind Informationskanäle, die auf einer Metaebene von unserem Bewusstsein wahrgenommen und aufgrund vergangener (individuell persönlicher) Erfahrungen vollautomatisch in kategorische „Schubladen“ eingeordnet werden. Das passt an dieser Stelle übrigens hervorragend zu meinem eigenen Fachbereich, dem Produktdesign. Denn in sämtlichen Designdisziplinen und auch in der Kunst ist das kontrollierte und dazu oft ästhetisch-dramaturgisch aufbereitete Beeinflussen der Schlüssel für Aufmerksamkeit. Ob man will oder nicht, man wird überall beeinflusst. Und da ein Unterbinden gar nicht möglich ist, sollte man sich besser direkt selbst mit der Thematik auseinandersetzen.

Besonders wertvoll empfinde ich persönlich die Erkenntnis, dass eine Debatte viel mehr sportlich „sauber“ und methodisch durchdacht geführt werden sollte, als darauf hinzuarbeiten, diese Debatte „zu gewinnen“. Im Gerichtssaal oder in der Politik müssen natürlich an einem gewissen Punkt Entscheidungen gefällt werden. Dennoch sollte man sich immer klar machen, dass eine Debatte an sich schon (ohne Ergebnis) einen hohen nachhaltigen Wert haben kann, deshalb qualitativ hochwertig kultiviert, gepflegt und im demokratischen Kontext auch stets gesucht werden sollte. Im intellektuell-sportlich Rahmen fördert das strategische Debattieren das eigene rhetorische Verhalten unter Zeitdruck mit Mehrwert für die eigene Persönlichkeit, Stresstoleranz und das Selbstbewusstsein. Man ist auch gezwungen, seine Perspektive ständig zu überdenken und auszudehnen. Ich selbst habe mir jedenfalls vorgenommen, mal einen richtigen Debattierclub zu besuchen.

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