Interkulturelle Kommunikation – Auslandserfahrungen von Alumni

Wie kann interkulturelle Kommunikation gelingen? Auf was sollte man im Umgang mit anderen Kulturen achten? Antworten darauf geben zwei Alumni der Stiftung. Im Interview berichten sie von ihrem internationalen Erfahrungsschatz und geben persönliche Tipps.

 

Alumna Kristin Ellis

Kristin Ellis hat Psychologie studiert. Heute arbeitet sie bei der Commerzbank AG in Frankfurt am Main und war für das Unternehmen einige Zeit in New York tätig. Während ihres Studiums hat sie auch ein Auslandssemester in Finnland und Israel absolviert. Ihre beruflichen Schwerpunkte sind Human Resources, Leadership und Beratung. Sie ist aktuell als inhaltliche Assistentin für den Bereich Human Resources und als Vorstandsassistentin tätig. „Um interkulturelle Erfahrungen zu sammeln, braucht man nicht zwangsläufig ins Ausland zu reisen, auch in Deutschland kann man interkulturelle Kompetenzen erlernen und stärken.“

 

Alumna Dr. Nathalie Baumgart

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, lautet der erste Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Auch viele Jahre danach ist die Frage nach Freiheit und Würde des Menschen aktuell. Dr. Nathalie Baumgart hat auf ihren Reisen auf verschiedenen Kontinenten erlebt, was es für die Menschen dort bedeutet, nicht die gleichen Chancen und Rechte wie andere zu haben. Frau Baumgart ist Juristin und hat zum Thema „Schutz nationaler Minderheiten durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte“ promoviert. Knapp ein Jahr hat sie in Südafrika studiert und gearbeitet.

 

Frau Baumgart, welche kulturellen Erlebnisse und Eindrücke haben Sie in Südafrika gesammelt?
Während meiner Zeit in Südafrika ist mir eines besonders klar geworden: Überall haben Menschen ähnliche Bedürfnisse. Alle müssen essen und schlafen und wollen sozial interagieren. Teilweise gibt es aber gerade bei dieser sozialen Interaktion große kulturelle Differenzen. Wenn man diese Unterschiede identifiziert und sie bewusst in den Umgang integriert, kann man sich überall auf der Welt einleben und immer einen gemeinsamen Nenner finden. Natürlich gibt es große Unterschiede. Besonders in Sachen Zeitempfinden, Höflichkeitsformen und Regelkonformität unterscheiden sich Südafrika und Deutschland meiner Meinung nach sehr. Das war zu Beginn eine große Umstellung für mich.

Frau Ellis, Sie waren einige Zeit in den USA beruflich tätig und haben während Ihres Studiums Auslandssemester in Finnland und Israel absolviert. Welche Erfahrungen haben Sie in diesen Ländern gesammelt?
Natürlich ist es immer sehr davon abhängig, wie gut man sich im Vornherein mit dem jeweiligen Land, der Kultur und Sprache auseinandergesetzt hat, wie “einschneidend” das eine oder andere Erlebnis auf einen wirkt. Ich habe in jedem Land sehr unterschiedliche, aber auch sehr schöne Erlebnisse gehabt. Ein Eindruck war aber überall gleich: Egal wo ich war, waren die Menschen auch immer sehr an meiner Heimatkultur interessiert.

Stichwort „Kulturschock“: Welche Herausforderungen bzw. Hürden haben Sie im Vergleich zur deutschen Kultur erlebt?
Dr. Nathalie Baumgart: Mein größter persönlicher Kulturschock betraf die Höflichkeitsformen in Südafrika. Deutsche sind im Vergleich oftmals sehr direkt. Mit dieser deutschen Direktheit bin ich zu Beginn in Kapstadt oft angeeckt. Generell ist in Südafrika vieles deutlich entspannter. Das hat insbesondere positive Auswirkungen auf das Miteinander der Menschen, zeigt sich aber auch negativ in Bereichen wie Bürokratie und Verwaltung. Eine der größten Herausforderung war definitiv, unbefangen und ohne jegliche Wertung an Neues heranzugehen. Durch die eigene Sozialisierung tappt man schnell in die Falle, alles Gewohnte als richtig und gut einzuordnen und alles Ungewohnte als falsch wahrzunehmen. Es ist gut zu wissen, dass sich aber fast jedes Hindernis bewältigen lässt und jeder Kulturschock nachlässt.

Kristin Ellis: Vor Beginn eines längeren Auslandaufenthalts kann es helfen, die eigene Kultur zu hinterfragen. Was ist zum Beispiel “typisch deutsch”? Denn auf genau diesen Punkt kommt es meines Erachtens beim Kulturschock an: Man versteht Dinge nicht, ist geschockt, weil man die eigene Kultur als selbstverständlich erachtet. Typisch deutsch ist zum Beispiel, dass man überpünktlich ist. Bei einem Meeting, welches um 13 Uhr beginnt, ist man eigentlich schon zu spät, wenn man um 13 Uhr den Raum betritt. Wenn man sich in Israel für diese Zeit verabredet, dann treffen die Menschen zwischen 13.30 -14 Uhr ein. Das ist als Mensch, welcher in einer sehr zeitlich strukturierten Kultur aufwächst, schockierend – und wirft ganz nebenbei den ganzen weiteren geplanten Tagesablauf durcheinander. Wenn das einem zum ersten Mal passiert, ist das natürlich sehr ärgerlich, aber man gewöhnt sich daran und lernt auch selbst gelassener mit der Uhrzeit umzugehen. Der nächste Kulturschock kommt dann, wenn man wieder zurück in Deutschland ist und auf einmal wieder überpünktlich sein muss.

Frau Baumgart, auf welche “Dos & Dont’s“ sollte man in Südafrika besonders achten, um nicht anzuecken?
Natürlich sollte man sich ein bisschen in der Geschichte und Kultur auskennen. Gerade in Südafrika hat die Apartheid, welche erst 1994 abgeschafft wurde, noch einen großen Einfluss. Das merkt man insbesondere daran, dass viele Menschen traumatisiert, frustriert oder wütend sind und ihre ganz persönliche Geschichte erzählen können. Generell hat die typisch deutsche Erwartungshaltung keinen Platz. Man sollte also bedachtsam und respektvoll sein, sich aber mit seiner Neugierde und seinen Fragen nicht zurückhalten. Südafrikaner*innen sind sehr offene und herzliche Menschen, die einem meistens gerne Rede und Antwort stehen und ihre persönlichen Erfahrungen in dem Land gerne teilen.

Auf welche “Dos & Dont’s“ sollte man in Finnland besonders achten, Frau Ellis?
Für mich waren die räumlichen und persönlichen Distanzzonen sehr überraschend. Je nördlicher man in Europa ist, desto größer wird der persönliche Abstande zueinander, mit welchem sich die Menschen wohlfühlen. Die Daumenregel für den Mindestabstand zu einem anderen Menschen in Finnland, so stellte ich fest, ist dabei die Länge eines ausgestreckten Armes plus die Länge eines Messers. Auch beim Warten an Bushaltestellen oder Bahnhöfen sollte man daher anderen Menschen genügend persönlichen Freiraum lassen, damit sie sich nicht unwohl fühlen.

Gab es eine Situation, an der Sie besonders gewachsen sind?
Dr. Nathalie Baumgart: Vermutlich gab es sogar sehr viele solcher Situationen, an die ich mich im Nachhinein gar nicht mehr erinnern kann. Generell würde ich sagen, dass man immer daran wächst, wenn man die eigene Komfortzone verlässt. Speziell bin ich daran gewachsen, dass ich beinahe täglich mit Problematiken wie (Alltags-)Rassismus und Sexismus konfrontiert wurde. Das betraf beipsielsweise sowohl Aussagen und Überzeugungen von Südafrikaner*innen als auch anderer internationaler Studierender. Dazu kommt, dass es sehr ungewohnt war, nur noch auf Englisch zu kommunizieren und zu arbeiten.

Kristin Ellis: Als ich als Auslandsentsendete meines deutschen Arbeitgebers an der Wall Street gearbeitet habe, bin ich – wie ich es aus Deutschland gewöhnt war – sehr aufgabenorientiert an meine Tätigkeiten herangegangen. Ich habe ziemlich schnell gemerkt, dass das dort weniger gut ankam, denn Amerikaner*innen sind in ihrer Arbeitsweise sehr beziehungsorientiert. Das bedeutet, dass man bei einer Teamaufgabe zunächst eine gute Beziehung und Vertrauen unter den Teammitgliedern aufbauen muss, bevor man sich der eigentlichen Aufgabe widmet. Und diese Art habe ich für mich persönlich wieder zurück nach Deutschland genommen. Es macht mehr Spaß mit Menschen zusammenzuarbeiten, mit denen man eine gute Beziehung hat. Ich bringe mich seither auch aktiv in dem internen Frauennetzwerk meines Arbeitgebers ein und fördere damit den Austausch und die Vernetzung untereinander.

Welche Kompetenzen braucht es aus Ihrer Sicht, damit interkulturelle Kommunikation erfolgreich gelingt und welche persönlichen Tipps können Sie anderen geben, die einen Auslandsaufenthalt planen?
Nathalie Baumgart: Meiner Meinung nach ist es wichtig, einen wertungsfreien Mittelweg zwischen den Kulturen zu suchen und zu finden. Dazu braucht man eine gewisse Offenheit und natürlich den Willen, die jeweils andere Kultur kennenzulernen. Man sollte aber auch selbstkritisch sein und das eigene Handeln sowie Überzeugungen und die eigene Sozialisierung hinterfragen können. Eine Freundin, die eine interkulturelle Ehe lebt, hat mir einmal gesagt, dass es auf vier Dinge ankommt: Neugier, Geduld, Empathie und Wertschätzung. Das würde ich genau so auf jede interkulturelle Begegnung übertragen. Wer voreingenommen in einen Auslandsaufenthalt startet, wird vermutlich enttäuscht zurückkommen. Generell ist es wichtig, sich vorab ein bisschen über das Land und die Leute zu informieren, um die gröbsten Fehler zu vermeiden und natürlich kann es auch nie schaden, wenn man Grundkenntnisse in der Landessprache hat. Meine Erfahrung ist, dass man, solange man respektvoll und offen ist, in den meisten Fällen auch Respekt und Offenheit von den Menschen im Gastland erfährt. Und letztendlich ist genau das wichtig: Sich vor Augen zu führen, dass man in einem anderen Land zu Gast ist.

Kristin Ellis: Interkulturelle Kompetenz lernt man nicht nur im Ausland. Die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und Lebensweisen beginnt schon im Heimatland und mit dieser sollte man sich – auch außerhalb eines Auslandsaufenthaltes – immer wieder auseinandersetzen, um andere Kulturen zu verstehen und zu akzeptieren. Ich hatte mir für meine Auslandsaufenthalte passende Sprachtandems an meinem Wohnort gesucht. Tandem ist eine Sprachlernmethode, bei der sich zwei Personen mit unterschiedlicher Muttersprache gegenseitig die jeweils fremde Sprache beibringen und auch die jeweilige Kultur näherbringen. Während ich die jeweiligen Fremdsprachen vertiefen konnte, habe ich meinen Tandempartner*innen mit der deutschen Sprache geholfen und ihnen die deutsche Kultur nähergebracht. Meiner Meinung nach ist die Sprache eine der wichtigsten Mittel, um eine andere Kultur zu verstehen. Insbesondere im Arbeitskontext hilft auch ein Blick in die wissenschaftlich fundierten Kulturdimensionen von Geert Hofstede oder der GLOBE Studie, dessen Vergleiche kultureller Unterschiede und Gemeinsamkeiten online frei verfügbar sind. Damit interkulturelle Kommunikation zudem gelingt, bedarf es an Akzeptanz und Offenheit für andere Lebensweisen, die Gabe, sich selbst anpassen zu können, Ambiguitätstoleranz, also die Fähigkeit, mehrdeutige Situationen und widersprüchliche Handlungsweisen zu ertragen, und als i-Tüpfelchen noch Kulturwissen.

 

Weiterführende Informationen

  • Kulturdimensionen nach Geert Hofstede:
    www.ikud.de/glossar/kulturdimensionen-geert-hofstede.html
  • GLOBE-Studie: www.globeproject.com

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