Stipendiat*innenfahrt 2022: Viele Kulturkreise treffen aufeinander – Erfahrungsberichte

In diesem Jahr haben wir eine Stipendiat*innenfahrt in den Hunsrück unternommen. Im Mittelpunkt stand das Thema Motto interkulturelle Kommunikation. Zusammen mit Alumni haben wir uns gedanklich auf verschiedene Kontinente begeben und uns angeschaut, wie Begegnungen mit anderen Kulturen erfolgreich sein können. Erfahren Sie mehr.

 

Austausch zur interkulturellen Kommunikation

von Marie Angela Sidoti Abate

Keine Universitätsveranstaltungen und Prüfungen am Samstag? Das mag ja für Leute, die seit langem in Deutschland leben, selbstverständlich klingen, doch in Südafrika ist dies nicht der Fall. Das durften wir während des spannenden Seminars zu interkultureller Kompetenz im Rahmen unserer Wochenendfahrt im Hunsrück erfahren. Alumna Dr. Nathalie Baumgart hat sich die Zeit genommen, um uns von ihrer Studienzeit in Südafrika und dortigen Erfahrungen zu erzählen, die sie prägten.

Das Seminar wurde mit folgenden Überlegungen eröffnet: Was bedeutet für uns „Interkulturelle Kompetenz bzw. Kommunikation“? Welche Schlagwörter fallen uns ein, wenn wir daran denken? Zusammen sind wir zu folgendem Schluss gekommen: Um interkulturelle Kompetenz zu erwerben, sind gegenseitiger Respekt, Verständnis für das „Andere“, Toleranz und der Wille, sich untereinander auszutauschen, unentbehrlich. Und eine Priese Neugier – wobei je mehr, desto besser – gehört auch dazu.

Aber aus einem anderen Kulturkreis zu kommen, bedeutet nicht nur, Unterschiede zu haben, sondern auch Gemeinsamkeiten zu teilen und, warum nicht, auch kulturelle Elemente des anderen Landes aufzunehmen. Alumna Kristin Ellis, die sich für einen längeren Zeitraum in den Vereinigten Staaten von Amerika aufhielt, haben wir gefragt: Gibt es etwas in den USA, was Sie vermissen und Sie auch gern in Deutschland hätten? „Die Art und Weise, wie die US-Amerikaner Dankbarkeit zeigen“, antwortete sie. „Zum Beispiel bedankt man sich immer, nachdem man eine E-Mail erhalten hat, und sei sie noch so belanglos. Das fühlt sich echt gut an und ich habe das auch für mich selbst übernommen. Es wäre schön, wäre es in Deutschland auch üblicher.“

Taucht man in eine andere Kultur ein, so ist dies zu Beginn immer mit Schwierigkeiten verbunden. Kulturelle Unterschiede können anfänglich potenziell „beängstigend“ wirken, vielleicht ist am Anfang der Kulturschock groß, viele Sachen benötigen Zeit, um nachvollzogen zu werden. Das erlebte auch Kristin Ellis in Finnland, wo die soziale Kommunikation in vielen Situationen ganz anders aussieht als in Mitteleuropa. Treffen verschiedene Kultursphären aufeinander, kommt es zu Beginn häufig zu Missverständnissen. Das berichtete uns Alumnus Stan Kosyakov, der seit vielen Jahren in Asien lebt und interessante Anekdoten dazu teilte: „Deutsche Direktheit“ kann beispielsweise in Indien verletzend und unangebracht wirken. Aber was tun, wenn es zu einer solchen Gegebenheit kommt? Da ist offene Kommunikation maßgebend sowie auch das „Erklären“ des Hintergrundes, wieso es zu einem solchen Missverständnis gekommen ist, und letztlich das „Akzeptieren“.

Einen bedeutsamen Einblick über die Kommunikation mit Menschen, die der Gehörlosen-Community zugehören, durften wir von Stipendiatin Inna Shparber erhalten. Sie zeigte uns eine Präsentation mit zahlreichen Informationen über gehörlose Menschen, erzählte uns von ihrem Engagement für die Gehörlosen-Community und half uns dabei, viele Fragen zu beantworten, Hemmungen abzubauen und die Interaktion mit Gehörlosen zu verwirklichen. So haben wir uns auch einige Basics der Gebärdensprache angeeignet und konnten anschließend unseren Namen, Wohnort und die eigene Studienrichtung gebärden – was für eine großartige und inspirierende Gelegenheit!

Diese Chance, dank der wir unsere Ideen und Meinungen austauschen durften, hat mich dazu umso mehr angeregt, über meinen Alltag nachzudenken und vor allem über den hohen Stellenwert von interkultureller Kompetenz und Kommunikation. Das Seminar hat mich zudem dazu animiert, mir noch mehr Gedanken über mein Gegenüber zu machen, mehr Verständnis zu zeigen und eventuelle Vorurteile infrage zu stellen: Als Medizinstudentin und Krankenhausmitarbeiterin bin ich ständig in Kontakt mit Menschen vieler Nationalitäten, die aufgrund von Traditionen, Sprache, Religion und Lebensformen unterschiedliche Bedürfnisse haben und verschiedenartig kommunizieren. Gute Kommunikation bedeutet beispielsweise mehr Vertrauen; mehr Vertrauen bedeutet mehr Compliance (Bereitschaft des Patienten zur aktiven Mitwirkung an einer Behandlung) und mehr Compliance bedeutet eine rundum bessere Behandlung des Patienten. Schließen möchte ich meinen Bericht mit folgender Frage: Wie wirkt sich interkulturelle Kompetenz in Ihrem Alltag aus? Vielleicht haben Sie ja Lust bekommen, darüber einmal näher zu reflektieren.

 

Gruppenerfahrung zum Teambuilding

von Alexander Böttcher

Die gemeinsame Wochenendfahrt in den Hunsrück war für mich eine außerordentlich tolle Möglichkeit, die anderen Stipendiat*innen besser kennenzulernen, in einen spannenden Austausch jenseits der eigenen Fachdisziplin zu treten und neue Freundschaften zu knüpfen.

Haus Toskana im Hunsrück, gezeichnet von Alexander Böttcher

Dabei spielte nicht nur während des Workshops das Thema der interkulturellen Kommunikation eine große Rolle, sondern während des gesamten Wochenendes, da unsere Gruppe sowohl in Bezug auf die vertretenen Studiengänge als auch auf den persönlichen, sprachlichen und kulturellen Background ganz vielfältig und interdisziplinär zusammengesetzt war. Das führte zu spannenden, bereichernden sowie herrlich offenen, herzlichen und humorvollen Konversationen.

Bei gemeinsamen, amüsanten und kurzweiligen Kennlernspielen wurde das erste Eis gebrochen, die Gruppe z.B. neu nach Sockenlängen oder Haarfarbe geordnet. Es wurden Versuche unternommen, die wichtigsten Charaktereigenschaften des Gegenübers zeichnerisch darzustellen, was nur bedingt gut gelang und für viel Erheiterung sorgte. Beim „Speedkennenlernen“ habe ich mit einer Person so viele Gemeinsamkeiten festgestellt, sodass ich fast glaubte, meinem „verlorenen Zwilling“ gegenüber zu stehen.

Das gemeinsame Kennenlernen anderer Student*innen im Rahmen einer kleinen Reise war insbesondere vor dem Hintergrund und den Einflüssen der vielen Einschränkungen der Covid-19 Pandemie in den letzten Jahren ein erfrischendes und gelungenes Format, im starken Kontrast zu den digitalen Veranstaltungen wie dem Stammtisch, der Weihnachtsfeier oder diverser Workshops via Zoom und hat mir eindrücklich gezeigt,
dass persönlicher Austausch nur bedingt in digitale Formate transformiert werden kann, und dass, trotz aller tollen technischen Möglichkeiten, nicht das gleiche Miteinander und dasselbe Gemeinschaftsgefühl konstruiert werden kann.

Während der gesamten Zeit war ein tolles Gemeinschaftsgefühl spürbar: von der gemeinsamen Autofahrt zum Ferienhaus bis hin zum gemeinsamen Aufräumen vor der Abreise. Dieses Gefühl wurde durch die vielen gemeinsamen Aktivitäten und Erlebnisse, wie dem nächtlichen Spaziergang mit plötzlichem Schneefall, dem grandiosen Kochen in der Gruppe mit den Mahlzeiten an dem super langen und trotzdem sehr eng bestuhlten Tisch, den kurzweiligen Abenden mit diversen Gesellschaftsspielen oder dem theologischen Gespräch auf dem Dachboden über den eigenen persönlichen Umgang mit Religion zu sehr später Stunde für mich einprägsam erlebbar.

Alle anfallenden Aufgaben haben wir im großartigen Teamwork bewältigt, egal ob das Verstauen der Einkäufe, der kleinen Umräumaktion des Esszimmers bis zur Vorbereitung und dem Kochen für die gemeinsamen Mahlzeiten. Vor allem beim Kochen von Chili sin Carne zeigte sich, wie effizient unser gemeinsames Teamwork funktioniert hat, da nicht nur das gesamte Haus für Stunden intensiv nach Knoblauch roch, auch die entstandenen Mengen hätten sicherlich genügt, um das gesamte Dorf zum Chiliessen einzuladen.

Auch bei dem gemeinsamen Workshop zur interkulturellen Kommunikation wurde unter Beweis gestellt, wie konstruktiv interdisziplinäres Teamwork funktionieren kann. Bei der Arbeit in Kleingruppen konnte jeder seine ganz eigene Erfahrung zum Thema Kommunikation mit der Gruppe teilen. Besonders interessant war dabei der Input der Alumni, die mit ihrem Vorsprung an Lebens- und Auslandserfahrungen einen intensiven und im höchsten Maße bereichernden Beitrag zum Erkenntnisgewinn im Team und auch für jeden ganz individuell geleistet haben. Dabei empfand ich vor allem die Offenheit, von den eigenen Erlebnissen, Erfahrungen, Erfolgen sowie Schwierigkeiten aus dem Ausland zu berichten, sehr bemerkenswert.

Diese Offenheit wurde uns nicht nur von den Alumni entgegengebracht, sondern ist beispielhaft für den außergewöhnlich offenen, toleranten und vertrauensvollen Umgang in der Gruppe insgesamt, den ich während des Wochenendes erfahren durfte. In vielen Gesprächen über teils auch sehr persönliche Themen – wie die eigene Partnerschaft, Akzeptanz in der eigenen Familie, Problemen mit sich selbst bis hin zur geistigen Gesundheit und den Verlust von Angehörigen – wurde mir während des gemeinsamen Wochenendes immenses Vertrauen entgegengebracht, welches mich teils zu Tränen gerührt hat.

Insgesamt haben die gemeinsamen Tage eindrucksvoll bewiesen, was für ein angenehmer, konstruktiver und produktiver Austausch in einer toleranten, interdisziplinär gebildeten, multikulturellen Gruppe möglich ist und welche große Freude und immense Bereicherung für das eigene Wirken sowie den eigenen Horizont ein solches Treffen sein kann.

 

 

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