Gesprächsrunde:
Frauen in männerdominierten Berufen & Führungspositionen

Heutzutage bestehen nicht nur weiterhin Vorurteile gegenüber Frauen in männerdominierten Berufen, auch faktische Ungleichheiten wie der Gender-Pay-Gap und die geringeren Frauenanteile in Führungspositionen werfen dringliche Fragen auf. In einer Gesprächsrunde im März mit Stipendiaten wurden die Herausforderungen im Umgang mit diesen Bedingungen näher beleuchtet. Wir haben eine Stipendiatin im Studienfach Physik interviewt sowie Stimmen der beiden Referentinnen Kalliopi Charitonidou und Roumyana Schnettler eingefangen.


 

»Es fehlen zu viele Kitaplätze.
Das ist die größte Bremse, warum Frauen in Deutschland nicht nach vorne kommen.«

KALLIOPI CHARITONIDOU
Gründerin und Geschäftsführerin von KCI Invest Frankfurt

 

INTERVIEW

Kim Annabel Küntzelmann | Stipendiatin | Biophysik (Master), Universität Heidelberg

Frau Küntzelmann, Sie haben an der Gesprächsrunde teilgenommen. Was haben Sie für sich mitgenommen?
Obwohl die beiden Referentinnen sehr gegensätzliche Persönlichkeiten haben, waren sie sich schon während der Fragerunde bei einem Punkt ganz besonders einig: Beide betonten, wie wichtig gewisse Soft Skills und Einstellungen sind, wie beispielsweise diszipliniertes Arbeiten, gegenüber Kollegen nicht neidisch zu sein und die Bereitschaft, viel Zeit in seinen Beruf zu investieren. Das ist mir auch in der persönlichen Gesprächsrunde aufgefallen. Der Erfolg eines Projektes ist nicht nur von der Leistung selbst, sondern auch von der Persönlichkeit, Sozialkompetenz und Kommunikationsfähigkeit abhängig. Frau Schnettler betonte außerdem, wie wichtig es ist, praktische Erfahrungen schon während des Studiums zu sammeln. Nicht nur um sich inhaltlich zu schulen, sondern auch um sich beruflich zu orientieren und Netzwerke aufzubauen. Das würde ich auch jedem empfehlen. Da ich am Ende meines Studiums bin, wurde mir zudem versichert, auch fachübergreifend gute Chancen auf Jobs zu haben. Im persönlichen Gespräch durfte ich außerdem noch mehr zu den Berufen im Finanzwesen oder in der Immobilienbranche erfahren. Berufliche Orientierung heißt nicht nur neue Berufe kennenzulernen, sondern auch eine für sich geeignete Auswahl zu treffen, um sich letztlich für einen Bereich zu entscheiden.


Frauenanteile in ausgewählte Bereichen:

  • 15,6 % in den Vorständen der Top 200 Unternehmen in Deutschland

  • 30,9 % in Aufsichtsräten der Top 200 Unternehmen in Deutschland

  • 29 % in Führungspositionen in Deutschland (2021)

Statista | Erhebungszeitraum 2006 bis 2022

Sie studieren Physik, ein Studienfach bei dem der Anteil von Studentinnen und Doktorandinnen in Deutschland 9-20 Prozent ausmacht. Welche Erfahrungen machen Sie als Frau in einem so männerdominierten Studienfach?
Ich habe bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht. Für mich macht es keinen großen Unterschied, welches Geschlecht meine Kommilitonen oder Freunde haben. Viel wichtiger ist, dass sich Persönlichkeiten mit ähnlichen Werten oder Interessen finden. Während meines Bachelors bestand mein Freundeskreis zu einem Viertel aus Frauen. Verständlicherweise habe ich mit meinen weiblichen Freunden von Zeit zu Zeit andere Gesprächsthemen als mit meinen männlichen, was ich bisher immer als sehr ausgleichend und bereichernd empfunden habe. Auch die Gruppendynamik oder Freizeitaktivitäten waren in meinen Erinnerungen kaum vom Geschlecht beeinflusst. Beispielsweise konnte ich mit meinen Kommilitonen Shopping Trips unternehmen und mit meinen Kommilitoninnen durch Bars ziehen. Einmal war ich auch mit sieben männlichen Kommilitonen im Urlaub in Marokko. Dieser Urlaub war einer meiner entspanntesten und abgesehen davon, dass ich die einzige Person war, die bei einem Ausflug ein Kopftuch trug, nahm ich keine Unterschiede wahr. Abseits von meiner eigenen Wahrnehmung habe ich oft Komplimente oder anerkennende Reaktionen für meine Studienwahl erhalten. Das hat jedoch auch mehr mit dem Fach als mit meinem Geschlecht zu tun. Ich hoffe meine bisherigen Erfahrungen bleiben auch im Job bestehen.

»Vorurteile sind mir in der Vergangenheit begegnet, aber ausschließlich positive.«

KIM ANNABEL KÜNTZELMANN
Stipendiatin im Studienfach Physik

 

¹ Laut Quelle beruhen die Werte des Gender Equality Index 2022 größtenteils auf der Datengrundlage des Jahres 2020. Deutschland belegt im EU-Gleichstellungsindex den elften Platz. Der Gender Equality Index wird vom Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (European Institute for Gender Equality, kurz: EIGE) in unregelmäßigen Abständen für jedes Land der Europäischen Union erhoben. Im Einzelnen werden folgende Indikatoren im Gender Equality Index auf Geschlechtsunterschiede hin untersucht und bewertet: Arbeit: Partizipation und branchenspezifische Segregation; Geld: Einkommen, ökonomische Situation; Wissen: Zugang zu Bildung, Bildungsabschlüsse sowie Segregation nach Bildungsbereichen; Zeit: Zeitaufwendung für Haushalt und Betreuung sowie für soziale Aktivitäten; Macht: Vertretung in den höchsten Ebenen von Politik, Wirtschaft und Verbänden; Gesundheit: Gesundheitsstatus, gesundheitsförderndes Verhalten, Zugang zu medizinischer Versorgung Quelle und weitere Informationen unter URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/589457/umfrage/eu-laender-beste-platzierung-im-gender-equality-index/

Werden Sie mit Vorurteilen konfrontiert, da Sie als Frau Physik studieren?
Vorurteile sind mir in der Vergangenheit begegnet, aber ausschließlich positive. Die meisten Vorurteile haben jedoch ebenfalls mehr mit dem Fach als mit meinem Geschlecht zutun, wie beispielsweise: ‚Wenn du Physik studierst, musst du intelligent sein‘. Die Frage nach dem Männeranteil ist mir auch des Öfteren begegnet. Abseits davon jedoch nichts.

Die Nobelpreisstatistiken zeigen ebenfalls einen geringen Frauenanteil: Auszeichnungen in der Kategorie Physik gehen fast ausschließlich an Männer. Insgesamt waren bisher (Stand 2022) nur vier Frauen unter mehr als 200 Ausgezeichneten. Wie sehen Sie das als Frau?
In Betracht dessen, dass die weibliche Promotionsquote in Physik bis zum Jahr 2000 unter 10 Prozent lag und die Professuren unter 2,5 Prozent (Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V., kurz: DPG), ist die Zahl von bisher 2 Prozent weiblichen Nobelpreisträgerinnen gar nicht schockierend. Dazukommt, dass Statistiken der DPG zeigen, dass „Kinder die Karriere von Frauen verzögern, aber die von Männern beschleunigen“. Diese Zahlen sind also nicht verwunderlich, ebenso wenig die geschichtlichen Gründe, warum Frauen erst gar nicht mit einem Physikstudium beginnen. Die Frage ist, ob sich dies gerade wandelt.

 

»Mit vollem Herzen muss man das lieben, was man tut. Sonst bekommt man die notwendige Energie nicht, um weiterzukommen.«

 RROUMYANA SCHNETTLER
Partnerin der capiton AG

 

Marie Curie erhielt 1903 als erste Frau den Nobelpreis in Physik, 1911 außerdem in Chemie. Ist diese Frau ein Vorbild für Sie? Falls ja, was bedeutet das für Ihre Studienplanung und Ihren Karriereweg?
Marie Curie ist ein Vorbild für mich. Doch nicht nur aufgrund ihres wissenschaftlichen Beitrags zur Menschheit, sondern für weitaus mehr Gründe. Beispielsweise wegen ihres fachübergreifenden Interesses, ihrer Zielstrebigkeit, ihrer Unabhängigkeit, ihrem Mut, aber auch wegen der Tatsache, dass sie gemeinsam mit ihrem Mann ihrer Passion nachging. Zwei Dinge möchte ich mir jedoch nicht zum Vorbild nehmen: Zum einen möchte ich nicht meine Gesundheit für die Forschung aufs Spiel setzen und zum anderen würde ich nicht meine (zukünftigen) Kinder vernachlässigen, so wie es Marie Curie tat. Insgesamt ist Marie Curie jedoch unzweifelbar eine Avantgardistin und in Anbetracht ihrer Menschlichkeit ein großes Vorbild. Auch wenn ich noch nicht weiß, was meine Zukunft bringt, wünsche ich mir, eine Karriere einzuschlagen, die ich mit einer vergleichbaren Leidenschaft, Begeisterung und Ehrgeiz verfolge.


Frauenquote

Am 1. Mai 2015 ist das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist es, den Anteil von Frauen an Führungspositionen signifikant zu verbessern und letztlich eine Geschlechterparität herzustellen. So gilt seit dem 1. Januar 2016 die feste Geschlechterquote von 30 Prozent für neu zu besetzende Aufsichtsratsposten in börsennotierten und voll mitbestimmten Unternehmen.


Finden Sie die gesetzlich geregelte Frauenquote sinnvoll?
Ja, ich finde sie sinnvoll, wenn sie als ‚Mittel zum Zweck‘ dient. Prinzipiell bin ich kein Verfechter der Frauenquote, da berufliche Stellen nach Eignung und Qualifikation besetzt werden sollten, unabhängig vom Geschlecht. Praktisch funktioniert dies leider jedoch nicht, da die bestehenden Netzwerke und Gewohnheiten in vielen Unternehmen das nicht zulassen. Deshalb ist die Frauenquote ein realistisches Werkzeug, um neue Strukturen zu schaffen, auch wenn sie temporär zunächst Nachteile mit sich bringen könnte, wie eine starke Fluktuation von Mitarbeitern oder Nachteile für Männer, welche vielleicht besser für den Job geeignet wären.


Wichtige Eigenschaften, die laut den Referentinnen zum Erfolg führen:

  • Disziplin
  • perfektes Zeitmanagement
  • kein Neid gegenüber Kollegen
  • Empathie
  • eigene Stärken und Schwächen kennen
  • Teamfähigkeit
  • Authentizität
  • souveräne Kommunikation


Quellen und weitere Informationen:

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