Erfahrungsberichte
Sheida D., ehemalige Stipendiatin, Operngesang
„Ich hatte eine wunderschöne Kindheit, eine liebevolle Familie und sehr liberale Eltern. Wir lebten in Teheran bescheiden, aber trotzdem bestanden meine Eltern darauf, dass wir Kinder Musikunterricht bekommen, was uns in der Schule fehlte. Mein Vater hat mich sehr geprägt. Er war Ingenieur und förderte mein Talent in Mathematik und Physik.
Ich war dreizehn Jahre alt, als mein Vater an einer Krebserkrankung verstarb. Kurz darauf haben wir unsere Wohnung verloren und ich weiß nicht, wie meine Mutter die Kraft hatte, uns zu erziehen, zu arbeiten, für uns ein neues Zuhause zu finden und dabei nicht zusammenzubrechen. Sie ist eine Heldin.
Der Kontakt zur Musik wurde nie unterbrochen. Ich spielte Geige im Jugendorchester und sang im Chor. Meine Stärke in der Physik hat mich überzeugt, dieses Fach weiter an der Universität zu studieren. Ein vernünftiger Weg, weil ich wusste, mein Vater wäre damit glücklich.
Eine Gesangslehrerin namens Hasmik Karapetian aus Armenien kam in den Iran und ich fing an, bei ihr Unterricht im klassischen Gesang zu nehmen. Sie wusste von meiner finanziellen Situation, und für damalige Verhältnisse war mein Unterricht bei ihr fast kostenlos. Ich studierte Physik an der staatlichen Universität im Norden Irans und fuhr jedes Wochenende nach Teheran, um Gesangsunterricht zu nehmen. Ununterbrochen. Ich dachte, ich mag singen. Aber das war Liebe.
Meine Lehrerin hat mir nach ungefähr vier Monaten Gesangsunterricht geraten, in Deutschland Gesang zu studieren. Damals durften die Frauen im Iran nicht solo singen. Ein Gesangstudium gab es auch nicht. Es ist vieles passiert, bis ich endlich den Mut hatte, darüber ernsthaft nachzudenken und die Entscheidung zu treffen, nach meinem Physikstudium im Ausland Gesang zu studieren. Wegen einer schwierigen Operation an beiden Beinen musste ich zwei Semester Urlaub nehmen und habe die Zeit ausgenutzt, um – im Gipsbett – Deutsch, Musiktheorie und weiter Gesang zu lernen. Meine Mutter, die von meiner Liebe zur Musik und meinem Fleiß sehr angetan war, hat mich ermutigt, mich gleich auf den Weg nach Deutschland zu machen. Ich habe im Jahr 2008 als beste Bewerberin die Aufnahmeprüfung für den Bachelorstudiengang Gesang an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg bestanden, wo ich die hervorragende Gesangsausbildung in der Klasse von Frau Prof. Carolyn G. James bis Ende meines Masterstudiengangs Oper genossen habe.
Nach dem Jahr 2009 kamen schwierige Zeiten im Iran. Die politische Lage hatte sich verschlimmert, und wie immer mussten Unschuldige dafür zahlen. Um die politische Führung im Iran zu isolieren, gab es eine Sanktion nach der anderen. Dabei wurden die Menschen ärmer und ärmer. Mich finanziell zu unterstützen wurde für meine Mutter immer schwieriger bis unmöglich, und ich war nicht das einzige Familienmitglied. Ich versuchte, mein Studium durch Nebenjobs zu finanzieren, bis ich festgestellt habe, so werde ich nie schaffen, mein Studium abzuschließen.
Die Arthur Pfungst-Stiftung hat mich nicht nur bis zum Ende meines Masterstudiengangs Oper finanziert. Sie hat sich für mich und meine Geschichte interessiert. Ich konnte über jeden Erfolg und Misserfolg erzählen. Die Stiftung hat mich als eine Sängerin verstanden und an meine Ziele geglaubt. Ich hatte während des Studiums die finanzielle Sicherheit, zum Vorsingen zu fahren, Erfahrungen zu sammeln. So konnte ich schon während des letzten Studienjahres am Theater Kiel gastieren. Und jetzt gleich nach meinem Studium wurde ich als Solistin des Opernstudios der komischen Oper Berlin – Opernhaus des Jahres (2013) – für zwei Jahren und an der hamburgischen Staatsoper als Gastsängerin im Oktober 2014 engagiert.“