Historie

Geschichte der Naxos-Union und der Dr. Arthur Pfungst-Stiftung

Im Jahr 1871 gründete der jüdische Unternehmer Julius Pfungst die Naxos-Union mit Sitz in der Wittelsbacherallee in Frankfurt am Main. Das Unternehmen besaß die Alleinvertriebsrechte für Naturschmirgel (Korund) von der griechischen Insel Naxos, der in Frankfurt zu Schleifkörpern verarbeitet wurde. Ab etwa 1880 wurde die Unternehmenstätigkeit auf die Produktion von Schleifmaschinen ausgeweitet.

Bereits Julius Pfungst besaß großes soziales Verantwortungsbewusstsein. Er investierte 1896 anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Firma 100.000 Mark als Grundstock für die Altersversorgung ‚seiner’ Arbeiter*innen, später stiftete er einen Betrag für die Arbeiterwitwen und -waisen.

Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1899 übernahm Dr. Arthur Pfungst die Leitung des Unternehmens. Der damals 35-Jährige war promovierter Naturwissenschaftler (Chemie und Mathematik), Freidenker, Buddhist und betätigte sich in hohem Maße aber auch als Dichter, Publizist und Verleger. Er gründete 1900 den „Neuen Frankfurter Verlag“ und gab die Zeitschrift „Das freie Wort“ heraus, die bis 1914 erschien.

Ariadne auf NAXOS

Arthur Pfungst hatte früh erkannt, dass Bildung ausschließlich den gehobenen Gesellschaftsschichten mit entsprechenden finanziellen Möglichkeiten vorbehalten war. Er gründete den Verein „Freibibliothek und Lesehallen“ und plante, das gesamte Vermögen der Familie in eine ‚Akademie des freien Gedankens‘ zu investieren.

Stiftungsgründung

Dr. Arthur Pfungst starb bereits im Jahr 1912 im Alter von 48 Jahren. Seine Mutter Rosette und Schwester Marie, die seit 1909 Vorstandsvorsitzende war, übernahmen daraufhin die Leitung der Naxos-Union.

Marie Pfungst war Sozialreformerin und setzte sich entschlossen für die Arbeiter*innen der Naxos-Union ein. Sie wurde 1901 zur Vorsitzenden des Vortragsverbands der Frankfurter Frauenvereine gewählt In dieser Funktion reiste sie gemeinsam mit Bertha Pappenheim zur Generalversammlung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins nach Eisenach. Marie Pfungst richtete außerdem im Rahmen des Vereins „Frauenbildung- Frauenstudium” Ausbildungskurse für Mädchen ein und begründete zusammen mit Jenny Apolant Realgymnasialkurse für Mädchen in Frankfurt.

Gemeinsam mit ihrer Mutter gründete sie am 2. August 1918 eine Stiftung, der sie das gesamte Firmenvermögen der Naxos-Union übertrug. Im Gedenken an den verstorbenen Sohn und Bruder Arthur wurde die Stiftung nach ihm benannt. Ziel der Stiftung war es, „dem Wohl der Allgemeinheit durch Verbreitung von Bildung unter allen Schichten des Volkes“ zu dienen. Die Stiftung errichtete 1924 einen Arbeitskreis, der Volksbildungskurse zu Themen wie Religion, Ethik, Sozialwissenschaften und künstlerisches Erleben mit der Methode des Rundgespräches errichtete. Dafür wurden im Haus der Familie Unterrichtsräume und eine Bibliothek eingerichtet, die allen Interessierten, auch den Arbeiter*innen der Naxos-Union, zugänglich war.

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Die Stiftung im Nationalsozialismus

Ab 1933 mussten Vertrauensleute der NSDAP in den Vorstand Stiftung aufgenommen werden.  Infolgedessen wird das ehemals liberale und pazifistische Bildungsprogramm der Stiftung an die nationalsozialistische Ideologie angepasst und die Mittel der Stiftung vereinnahmt.

Als letzte Vertreterin der jüdischen Gründerfamilie drängte man Marie Pfungst nach dem Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze im Jahr 1935 aus der Unternehmensleitung und dem Stiftungsvorsitz; die Stiftung wurde schließlich in Waldschmidt-Stiftung umbenannt.
Im September 1942 wurde Marie gezwungen, einen ‚Heimeinkaufsvertrag‘ abzuschließen und anschließend nach Theresienstadt deportiert. Dort verstarb sie Anfang 1943 unter unwürdigsten Bedingungen im Alter von 80 Jahren.

In den letzten Kriegsjahren beschäftigte die Naxos-Union einige hundert Zwangsarbeiter, über deren Schicksal wenig bekannt ist.

Wiederaufbau nach dem Krieg

Erst nach dem Krieg konnte die Stiftung ihre Arbeit im Sinne der Pfungst-Familie wiederaufnehmen. So wurde in den 50er Jahren mit dem Frankfurter Bund für Volksbildung der Neuaufbau der demokratischen Erwachsenenbildung initiiert. Für die Kinder der Mitarbeiter, vor allem der berufstätigen Mütter in der Naxos-Union, wurde ein Kindergarten eröffnet und eine öffentlich zugängliche, technische Bibliothek eingerichtet. Das Stipendienprogramm für begabte und bedürftige Studierende wurde ebenso wiederaufgenommen.

Die Kriegszerstörungen der Fabrikstandorte konnten bis in die 50er Jahre weitgehend wieder beseitigt werden. Die Schleifmittel- und Schleifmaschinenfabrik wuchs schnell und wurde zur Weltfirma. Im Jahr 1989 erfolgte die Umwandlung der Naxos-Union in eine Aktiengesellschaft und 1991 wurde die Naxos-Union an eine Industriellengruppe veräußert und existiert noch heute als Naxos-Dikus-Schleifmittelwerke.
Das ehemalige Verwaltungsgebäude der Naxos-Union und die Maschinenhalle (Naxos-Halle) gehören heute der Stadt Frankfurt und stehen unter Denkmalschutz.

Die Idee der Familie Pfungst, Bildung für alle Gesellschaftsschichten, und vor allem für Bedürftige, die sonst keinen Zugang zu Bildung haben, zugänglich zu machen, lebt heute durch die Stiftung weiter und wird durch das Stipendienprogramm und andere Projekte verwirklicht. So werden aktuell jedes Jahr etwa 30 Studierende durch ein Stipendium sowie durch Seminare und Coachings auf ihrem Bildungsweg unterstützt.


Zum Weiterlesen:

  • Die Dr. Arthur Pfungst-Stiftung von 1918-1945. Broschüre 2024.
    Kostenloser Download hier oder per Mail an arthur@pfungst-stiftung.de kostenlos zu bestellen.
  • Mille Braach: Marie Eleonore Pfungst, Fritz Bauer Institut 1995 (Reihe Biographien Nr. 1)
  • Gegen das Vergessen: Die Naxoshalle im Nationalsozialismus. Begleitheft zur „Themenwoche gegen das Vergessen“ 25. September – 1. Oktober 2020.
    per Mail an arthur@pfungst-stiftung.de kostenlos zu bestellen

 

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