Resilienz-Workshop:
Die eigene Widerstandskraft stärken
Beim Resilienz-Workshop vermittelte Diplom-Psychologe Martin Hauptmeier unseren Stipendiaten und Alumni Strategien und Tipps, um die eigene Resilienz zu stärken und zu vergrößern. Der Praxistransfer stand dabei an erster Stelle. Vom Workshoptag berichtet Stipendiat Niket Kapoor.
Erfahrungsbericht
von Niket Kapoor
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich auf einer langersehnten Kreuzfahrt durch die Karibik. Mit einem schönen Getränk in der einen und dem neuen Sebastian-Fitzek-Thriller in der anderen Hand und gönnen sich eine entspannte Auszeit. Doch der unachtsame Kapitän kollidiert mit einem Felsen. Der Cocktail ist verschüttet, und wer der Täter im Buch ist, bleibt ungewiss. Aber keine Panik: Das Schiff sinkt nur langsam und es ist auf Notfälle vorbereitet. Die Strömungen sind ruhig und Belize City ist nur 200 Meter entfernt. Nun die Frage: Wie optimistisch sind Sie in dieser Situation? Erwarten Sie eine baldige Rettung und denken: „Nichts kann schiefgehen!“? Oder befällt Sie Pessimismus und Zweifel? Ihre Antwort könnte Aufschluss über Ihre psychische Widerstandsfähigkeit, in der Psychologie Resilienz genannt, geben.
Die Herkunft des Wortes mag eine erste Intuition über das dahinterliegende Konzept geben – es stammt aus dem Lateinischen, „resilire“ kann mit „abprallen“ übersetzt werden. Ähnlich wie ein Ball, der gegen eine Wand prallt, prallt bei einer resilienten Person die Schwere des Alltags, aber auch bedeutendere biografische Ereignisse, leichter ab. Obwohl diese Begriffsherleitung intuitiv verständlich ist, vereinfacht sie das Konzept etwas. Dank des packenden Workshops von Dipl.-Psychologe Martin Hauptmeier, den wir Stipendiaten der Dr. Arthur-Pfungst-Stiftung am 06.09. erleben durften, erhielten wir eine komplexere Sicht auf Resilienz, mitsamt einer umfassenden Toolbox, die das Konzept in unsere Lebensrealität überführt. Herr Hauptmeier zeichnet sich nicht nur durch seine einladende und packende Präsentationskunst aus, die wir im Workshop erfahren durften, sondern auch durch einen weitreichenden wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungsschatz in der Forschung und Lehre zum Thema Resilienz.
»Techniken zu kennen bringt alleine nichts, sondern es ist wichtig, diese Werkzeuge auch zu nutzen. Nur so wird man resilienter.« Martin Hauptmeier
Das oben genannte Kreuzfahrtschiffbeispiel war die Eröffnung für uns Workshopteilnehmende, mit gleicher Selbsteinordnungsfrage. Während einige pessimistische Teilnehmende das Schlimmste befürchteten, sahen die optimistischen kaum Hindernisse. Resilienz zeigt sich durch realistischen Optimismus – einer positiven Grundhaltung, jedoch ohne Naivität. Was aber tun, wenn meine Grundeinstellung eher die düstere Prognose ist? Herr Hauptmeier machte uns in diesem Zusammenhang mit Reframing-Fragen bekannt, die unsere kognitiven Verzerrungen hinterfragen können. Sei es durch eine Relativierung der Schwere der aktuellen Last im Hinblick auf die lange Zeitlinie, in der sie nur ein kleines Sandkorn darstellt, oder durch „Entkatastrophieren“ – also das ehrliche Aussprechen des wirklich zu erwartenden „Worst Case“. Eine weitere zentrale Säule ist die akzeptierende Haltung. Eine resiliente Person zeichnet sich nicht nur durch eine positive Prognose von Ereignissen aus, sondern auch durch die Fähigkeit, „Kröten zu schlucken“ – also die Situation als solche, besonders mit ihren negativen, aber auch positiven Aspekten, zu akzeptieren. Sie könnten sich in negativen Situationen in endlosen Grübeleien verlieren, Gedankenkarusselle, aus denen Sie nicht mehr herauskommen. Doch halten Sie inne und akzeptieren Sie, dass die Situation so ist, wie sie ist. Das bedeutet nicht, dass Sie nichts an der Situation verbessern können. Doch Ihre psychische Substanz ist um einiges robuster, wenn der mentale Schritt der radikalen Akzeptanz vorausgeht. Die Kunst des „Kröten-Schluckens“ hat mich persönlich besonders angesprochen, da ich in mir die Tendenz erkannt habe, selten diesen expliziten Schritt der Akzeptanz zu vollziehen. Doch negative, aber auch positive Realitäten zuerst zu akzeptieren, bevor man sie zu verbessern versucht, kann das emotionale Durcheinander erheblich lindern.
Resilienz muss sich auch in Verhaltenstendenzen manifestieren, was uns zur nächsten Resilienzsäule, der Lösungsorientierung, bringt. In einer Gruppenarbeit besprachen wir die Möglichkeit, gesunde Ernährung und regelmäßigen Sport bewusster im Alltag zu verankern, mit der Aufforderung von Herrn Hauptmeier, dies mit einer lösungs- und nicht problemorientierten Haltung zu tun. Zunächst ertappten wir uns dabei, nur mögliche Hindernisse aufzuzählen. Nach einer kurzen Erinnerung und Korrektur unserer Herangehensweise fanden wir dann schnell Lösungen für die genannten Hindernisse. Das war ein Aha-Moment für mich, da er mir zeigte, dass kreative Lösungsfindungskompetenz in uns allen steckt, aber manchmal „aktiviert“ werden muss.
Weitere Konzepte im Rahmen der Resilienz fehlen hier, aber die drei genannten Säulen gaben bereits wertvolle Denkanstöße. Ich habe den Workshop mit einer viel differenzierteren Sicht auf das Konzept verlassen. Eine resiliente Person kann nicht alles erdulden, jeder erreicht seine Grenzen. Doch eine resiliente Person verfügt über ein größeres Ressourcenbudget und macht sich das Leben nicht unnötig schwer. Dank der umfassenden theoretischen und praktischen Einführung durch Herrn Hauptmeier – die weit über das hinausgeht, was ich hier kurz zusammengefasst habe – gingen wir alle mit einem Fundus an Werkzeugen und Wissen nach Hause und können künftig jedes Schiffsunglück etwas gelassener angehen.