Homeoffice: Erfahrungen einer Alumna

Homeoffice ist seit der Corona-Pandemie für viele Arbeitnehmer*innen zur täglichen Routine geworden. Die Erfahrungen damit sind Studien zufolge größtenteils positiv. Allerdings sehen die Befragten auch negative Aspekte. Dennoch wünscht sich ein großer Teil der Arbeitnehmer*innen, auch nach der Corona-Krise häufig von zu Hause arbeiten zu können. Welche Möglichkeiten das Homeoffice bietet und welche Risiken entstehen, erforscht die Hans-Böckler-Stiftung bereits seit vielen Jahren. Die ehemalige Stipendiatin Alina Volbracht hat 2021/2022 ein 4-monatiges Praktikum bei Lekkerland, seit 2020 Teil der REWE-Group, im Bereich Personalentwicklung und HR Management absolviert und dabei selbst die Erfahrung mit der Arbeit im Homeoffice gemacht. Wir haben mit ihr über ihre Praktikumserfahrungen, aktuelle Studienergebnisse, Vor- und Nachteile sowie die künftige Rolle flexibler Arbeitsmodelle gesprochen.

 

Alumna Alina Volbracht | Absolventin der Betriebswirtschaftslehre

Interview

Frau Volbracht, was hat Sie dazu motiviert, ein Praktikum während Ihres Studiums der Betriebswirtschaftslehre zu machen?
Ich studiere sehr gerne und finde es interessant, mich mit Theorien sowie Modellen zu beschäftigen, aber die Anwendung in der Praxis gestaltet sich in vielen Fällen doch noch etwas anders. Während meiner Werkstudierendentätigkeit in der Personalorganisation bei der Consulimus AG habe ich bereits erste Praxiserfahrungen sammeln können. Ich habe unter anderem einen Einblick in das Recruiting erhalten und dementsprechend viele Lebensläufe angeschaut. Wenn man selbst auf der anderen Seite sitzt, merkt man welche Punkte Bewerber voneinander unterscheiden können. Einer dieser Punkte ist die Erfahrung, die jemand mitbringt und die einen in der eigenen Arbeits- und Sichtweise prägen kann. Die Arbeit bei meiner Werkstudierendentätigkeit hat mir viel Spaß bereitet. Ich habe jedoch gemerkt, dass ich noch andere Bereiche kennenlernen möchte, um zu wissen, wie es nach dem Studium für mich weiter gehen könnte. Ich finde es wichtig, so viele verschiedene Eindrücke wie möglich zu sammeln, um eine gute Grundlage für spätere berufliche Entscheidungen zu schaffen. Außerdem finde ich es spannend, wie man sich selbst mit jeder neuen Herausforderung aus der Reserve locken und weiterentwickeln kann.

Was interessiert Sie persönlich am Bereich „Personal“?
Aus meinem Umfeld höre ich oft, wie die Arbeitsumstände, der oder die Vorgesetzte oder die Entwicklungspotenziale im Job einen Einfluss auf die eigene Motivation und Produktivität haben können. Ein Umfeld, in dem sich jeder wohlfühlt und dazu motiviert wird, das Beste zu geben ist ausschlaggebend für Unternehmen. Vor allem auf dem aktuellen Arbeitsmarkt müssen Unternehmen im „War for Talents“ die besten Bewerber*innen für sich gewinnen. Das kann durch Benefits wie eine gute Kantine, flexibles Arbeiten, Weiterbildungsmöglichkeiten oder auch die richtige Auswahl von Vorgesetzten und Mitarbeiter*innen geschehen. Diese verschiedenen Maßnahmen haben langfristig einen Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen und können so maßgeblich zum Unternehmenserfolg beitragen. Die Kombination aus Wirtschaft und Psychologie spielt im Personal oft eine große Rolle und das ist etwas, was ich sehr spannend finde.

 

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Was ist Mobile Work? 2022|B1
Im Gegensatz zum Homeoffice beschränkt sich der Arbeitsplatz beim mobilen Arbeiten (Mobile Work) nicht auf die eigenen vier Wände. Mitarbeitende erbringen ihre Leistung, ohne dass der Arbeitsplatz vorgegeben ist. So können sie beispielsweise auch von einem Café, einem Co-Working Space oder einem Park aus arbeiten.

Auch beim mobilen Arbeiten gilt das Arbeitszeitgesetz, was besagt, dass Arbeitnehmer werktags nicht mehr als acht Stunden arbeiten dürfen und zwischen den Arbeitseinheiten eine Ruhezeit von elf Stunden einhalten müssen. Wenn Mitarbeiter mobil arbeiten, sind Arbeitgeber nicht verpflichtet, sämtliche Kosten für das technische Equipment oder die Büroausstattung zu zahlen, da es keinen festen Arbeitsplatz gibt.

 

Welche Erfahrungen konnten Sie im Praktikum sammeln und was nehmen Sie daraus für Ihre berufliche Zukunft mit?
Während meines Praktikums habe ich einen Einblick in die Personalentwicklung und das HR Management erhalten. Außerdem konnte ich durch die Mitarbeit in einem Projekt ebenso Eindrücke in Change-Management-Prozesse erlangen. Ich habe gemerkt, dass mir die Arbeit an Projekten und im Team viel Spaß bereitet. Ich finde die Projektarbeit besonders spannend, weil man viele Ideen einbringen und im Prozess weiterentwickeln kann. Zudem ist die Arbeit abwechslungsreich und es treten immer neue Herausforderungen auf, die man gemeinsam mit Kolleg*innen meistern kann. Für meine berufliche Zukunft nehme ich aus dem Praktikum mit, dass mich die Arbeit im Personalbereich weiterhin interessiert und mir liegt. Ich habe gelernt meine Ideen einzubringen und strukturiert zu arbeiten.

 

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Für 77 % der Befragten erleichtert das Homeoffice die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

48 % der Befragten möchte auch in Zukunft von zu Hause arbeiten.

Befragung im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung

 

 

 

Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf Ihr Praktikum? Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit?
Aufgrund der Corona-Pandemie habe ich einen großen Teil des Praktikums im Homeoffice verbracht. Zu Beginn bestand die Möglichkeit 2-3 Tage pro Woche bei begrenzten Raumbelegungen im Büro zu arbeiten. Ab circa der Hälfte des Praktikums habe ich aufgrund der Maßnahmen bis zum Schluss vollständig im Homeoffice gearbeitet. Daher gab es leider keine gemeinsamen Mittagessen in der Kantine oder größere gemeinsame Meetings in Präsenz. Die Zusammenarbeit hat aus diesem Grund vorrangig virtuell über Teams stattgefunden. Zu Beginn habe ich viele einzelne Gespräche mit Kolleg*innen vereinbart, um sie persönlich kennen zu lernen und mich so schnell im Team einzufügen. Außerdem haben wir uns innerhalb des kleinen Teams zwei Mal pro Woche virtuell getroffen und aktuelle Themen, Fragen sowie Fortschritte besprochen. Zusätzlich hatte ich wöchentlich einen Termin mit meiner Ansprechpartnerin, um über meine aktuellen Aufgaben, Fragen und Wünsche zu sprechen. Das klassische „Mal eben kurz Anklopfen“ oder durch den Türspalt schauen, ob jemand Zeit hat, wird durch Videoanrufe und Nachrichten ersetzt. Bei gemeinsamen Projektaufgaben mit Kolleg*innen haben wir virtuelle Meetings genutzt, um unsere Arbeitsergebnisse und das weitere Vorgehen zu besprechen.

Quelle: https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-homeoffice-besser-klar-geregelt-27643.htm

Die Erfahrungen von Beschäftigten mit dem Homeoffice sind einer Online-Befragung im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung von 2020 zufolge unterschiedlich: So sagen 77 Prozent der Befragten, das Homeoffice erleichtere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, 60 Prozent glauben, die Arbeit daheim sogar effektiver organisieren zu können als im Betrieb. Allerdings haben auch 60 Prozent den Eindruck, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. 2022|B2 Welche Vor- und Nachteile sehen Sie beim Homeoffice bzw. Mobile Work? 
Ein Vorteil ist für mich, dass man durch die Arbeit im Homeoffice keine langen Anfahrten mehr hat und dadurch Zeit spart, die man anders nutzen kann. Zudem ist man nicht an einen Ort gebunden und hat dadurch mehr Möglichkeiten bei der Auswahl von Unternehmen. Wenn man sonst in einem Großraumbüro arbeiten würde, hat man im Homeoffice oft mehr Ruhe und kann ungestörter Arbeiten. Das kommt jedoch ganz auf die Möglichkeiten und Lebensumstände jedes Einzelnen an. Ein Nachteil ist für mich, dass der persönliche Kontakt nicht komplett durch virtuelle Treffen ersetzt werden kann. Es ist definitiv eine gute Alternative, aber gerade, wenn man noch nicht lange im Team ist, kann der informelle Austausch im Büro hilfreich sein, um Kolleg*innen besser kennen zu lernen. Den Eindruck, dass die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit verschwinden kann ich auch nachvollziehen. Wenn man beispielsweise kein Arbeitszimmer hat, sondern den Schreibtisch im Schlaf- oder Wohnbereich stehen hat, kann es schwierig sein Arbeit und Freizeit zu trennen. Die fehlende Trennung kann dazu führen, dass man das Gefühl hat, man müsse ständig erreichbar sein und so schlechter abschalten kann.
Insgesamt denke ich, dass die Vor- und Nachteile von Mobile Work für jeden individuell sein können. Was für eine Person gut funktioniert, muss für den oder die andere nicht genauso vorteilhaft sein.

 

„Ich denke in Zukunft wird es fast keine Organisationen geben, die kein Homeoffice in Positionen anbieten, in denen es möglich wäre.“

 

Studienergebnisse zeigen zudem, dass ein Großteil der Beschäftigten auch nach der Corona-Pandemie zukünftig von zu Hause aus arbeiten möchte. Laut einer Untersuchung von Netigate wäre sogar jede*r Dritte bereit, für eine verstärkte Möglichkeit zum Homeoffice auf einen Teil des Gehalts zu verzichten. 2022|B3 Wo sehen Sie die Arbeitsbedingungen in den nächsten Jahren? Werden flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice und Mobile Work künftig eine größere Rolle in der Arbeitswelt spielen?
Den Wunsch nach flexiblen Arbeitsmodellen gab es vor der Corona-Pandemie bereits, aber Unternehmen hatten möglicherweise Zweifel und Angst vor Produktivitätsverlusten. Durch die Corona-Pandemie und damit verbundene Homeoffice-Pflichten wurde der Wandel der Arbeitsbedingungen zu Mobile Work und Homeoffice beschleunigt. Viele Unternehmen haben gemerkt, dass ihre Mitarbeiter*innen zu Hause genauso gut, wenn nicht sogar besser, arbeiten können. Ich denke, dass für viele Menschen Mobile Work nicht mehr aus der Arbeitswelt wegzudenken ist. Arbeitnehmer*innen haben sich an die Arbeit zu Hause gewöhnt und viele mögen die Abwechslung zwischen Büroarbeit und Homeoffice. Auch wenn es kein offizielles Recht auf Homeoffice geben würde, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass es für Unternehmen, die dies nicht anbieten, in Zukunft schwieriger wird Bewerber*innen anzusprechen. Ich denke in Zukunft wird es fast keine Organisationen geben, die kein Homeoffice in Positionen anbieten, in denen es möglich wäre. Das wird schon allein so sein, weil die Unternehmen auch mit ihren Arbeitsbindungen am Markt mithalten müssen.

 

Entscheidende Faktoren für gute Arbeitsbedingungen im Homeoffice:

  • Homeoffice braucht klare Regeln (Rahmenbedingungen und Ziele festlegen)
  • Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetz gelten auch im Homeoffice
  • Homeofficearbeit sollte freiwillig sein
  • Fortlaufende Qualifizierung sichern
  • Unterstützung durch Vorgesetzte
  • Homeoffice ist kein Ersatz für institutionelle Kinderbetreuung

Arbeitsforscherinnen Elke Ahlers, Sandra Mierich & Aline Zucco, 2022|B4

 

Literaturnachweise:
2022|B1: Quelle und weitere Informationen unter URL: https://www.personio.de/hr-lexikon/mobiles-arbeiten/ (aufgerufen am 03.05.2022).
2022|B2: Die Online-Befragung im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung fand zwischen Mitte und Ende Juni 2020 statt und befragte 6309 Erwerbstätige in Deutschland. URL: https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-homeoffice-besser-klar-geregelt-27643.htm (aufgerufen am 02.03.2022).
2022|B3: Netigate, einer der führenden europäischen Anbieter für Online-Befragungen und Feedback-Management, hat im November 2020 1.000 Arbeitnehmer*innen in Deutschland zu ihrer Arbeitssituation in Zeiten der Corona-Krise befragt. Ziel der Umfrage war es, aus den Ergebnissen Empfehlungen für Unternehmen, im Umgang mit mobilem Arbeiten und Homeoffice, abzuleiten. Weiterführende Ergebnisse finden Sie unter: https://www.netigate.net/de/articles/netigate-insights-deutschland/netigate-studie-zum-home-office/ (aufgerufen am 02.03.2022).
2022|B4: Die Studie von Forscherinnen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) und des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung beruht auf den Angaben von über 4600 abhängig Beschäftigten, die im April, Juni und November 2020 sowie im Januar 2021 befragt wurden, ergänzt durch eine Analyse von 67 Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die in Betrieben und Verwaltungen mobile Arbeit regeln. Ausführliche Studienergebnisse und die daraus abgeleiteten Faktoren für gute Arbeitsbedingungen im Homeoffice aus Sicht der Forscherinnen finden Sie unter: https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-so-klappt-gute-arbeit-im-homeoffice-freiwillig-und-mit-fairen-regeln-32175.htm Weiterführende Informationen: https://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_65_2021.pdf (beide Links aufgerufen am 02.03.2022).

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