Workshop: Soziale Medien und Demokratie

Katrin Grothe, Leiterin der Abteilung Soziale Medien der Fraktion der Freien Demokraten, bietet in diesem Jahr zwei Workshops zum Thema „Social Media Marketing: Soziale Medien und Demokratie“ für Stipendiat*innen der Dr. Arthur Pfungst-Stiftung und der Peter Fuld Stiftung an. Anhand vieler praktischer Beispiele aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gibt sie einen Überblick in die Besonderheiten der sozialen Medien und beleuchtet ihre Chancen und Risiken. Dazu haben wir verschiedene Perspektiven eingefangen.

 

Katrin Grothe
Leiterin der Abteilung Soziale Medien bei der Fraktion der Freien Demokraten

Blickpunkte der Seminarleiterin

Frau Grothe, Sie haben dieses Frühjahr den Workshop „Social Media Marketing: Soziale Medien und Demokratie“ für Stipendiat‘*innen der Dr. Arthur Pfungst-Stiftung und der Peter Fuld Stiftung durchgeführt und bieten ihn im November ein weiteres Mal an. Was ist Ihnen dabei wichtig, den Studierenden zu vermitteln?
Ich möchte mit den Studierenden ins Gespräch kommen über die Chancen und die Risiken der sozialen Medien für unsere Demokratie. Wenn über die sozialen Medien berichtet wird, geschieht das meistens mit einem negativen Unterton – ich will zeigen, welche Chancen es gibt und inwiefern politische Kommunikation durch die Digitalisierung nahbarer geworden ist. Gleichzeitig sollten wir auch über die Risiken sprechen, über Fake News, Bots, Shitstorms und Co und darüber, dass es etwas anderes ist, wenn sich ein Politiker auf seinem eigenen Instagram-Kanal nur die Fragen rauspickt, die er gern beantworten möchte oder wenn er im Fernsehen von einer Journalistin kritisch ins Kreuzverhör genommen wird. Ich bin neugierig zu erfahren, wie die Stipendiat*innen die sozialen Medien nutzen und wie sie Politikerinnen und Politiker darin wahrnehmen.

Wie hat sich unsere Kommunikation in den letzten zehn Jahren verändert und welche Rolle spielen heute die sozialen Medien? Kann man sich heute noch „erlauben“, nicht in den sozialen Medien unterwegs zu sein?
Erlauben kann man sich das natürlich noch. Viele Menschen melden sich ja auch ganz bewusst ab. Aber immer mehr Menschen verbringen eben auch immer mehr Zeit in und mit den sozialen Medien. Die Pandemie hat diese Entwicklung zuletzt noch einmal verstärkt. Und ich glaube, Politik muss dahin gehen, wo die Menschen sind – wir dürfen das Internet und die sozialen Medien nicht den Populisten oder Verschwörungstheoretikern überlassen, sondern müssen auch dort politische Informationen anbieten.

Politik und Soziale Medien: Segen oder Fluch? Oder: Welche Auswirkungen haben Soziale Medien auf die Politik?
Die Frage kann man beim besten Willen nicht in einigen wenigen Sätzen beantworten – darüber könnte ich stundenlang diskutieren (lacht). In aller Kürze würde ich sagen, die sozialen Medien sind für die Politik beides: Fluch und Segen zugleich. So wie fast alle Dinge im Leben immer Licht und Schatten haben.

 

„Politik muss dahin gehen, wo die Menschen sind – wir dürfen das Internet und die sozialen Medien nicht den Populisten oder Verschwörungstheoretikern überlassen.

 

Fake News, Hasskommentare oder Shitstorms sind oft die Kehrseite der Sozialen Medien. Wie kann ich Fake News erkennen und wer kann mir helfen, wenn ich zum Gegenstand von Hass-Kommentaren werde?
Hass-Kommentare sind ein großes Problem – auch wenn sie nicht alle Userinnen und User der sozialen Medien im gleichen Maße treffen. Wenn man betroffen ist, sollte man sich nicht scheuen, sich Hilfe zu suchen, zum Beispiel bei HateAid – die erste Beratungsstelle in Deutschland, die ausschließlich Betroffene von digitaler Gewalt unterstützt und auch juristisch berät. Hilfreich können auch Plattformen wie no-hate-speech.de sein, die kostenlos Argumentationsmaterial und Grafiken für die Gegenrede zur Verfügung stellen. Was Fake News angeht: Leider verbreiten sich Falschmeldungen in den sozialen Medien oft rasend schnell. Auch zum Krieg in der Ukraine oder zur Corona-Pandemie sind und waren unzählige Videos und Bilder im Umlauf, manche davon stellen sich als falsch heraus oder sind nicht verifiziert. Umso wichtiger ist es, solche Nachrichten nicht ungeprüft und unbedacht weiterzuverbreiten. In meinem Seminar erarbeiten wir ganz konkrete Schritte, wie man Fake News erkennen kann. Grundsätzlich gilt: Man sollte den Absender kritisch hinterfragen, man kann Faktenchecks nutzen, man sollte immer auch nach anderen Quellen für eine Meldung suchen und man sollte die Bilder und Videos überprüfen (zum Beispiel über die Google-Rückwärtssuche). Wenn man sich unsicher ist, lieber im Zweifel einmal etwas nicht teilen als alles ungefiltert an Freunde und Verwandte weiterzuleiten.

Welche Bedeutung haben soziale Medien für Sie und Ihre PR-Arbeit?
Die Bedeutung der Sozialen Medien für die politische Kommunikation hat sich in den letzten fünf bis zehn Jahren massiv verändert. Als ich angefangen habe, im Jahr 2012 war das, da hieß es „Katrin, du hast doch dieses Facebook – mach doch da mal ein Posting“. Da hat man das in Personalunion so nebenher gemacht. Heute leite ich eine eigene Abteilung für die Sozialen Medien, habe mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Ansprüche der Userinnen und User an die Qualität des SoMe-Content sind extrem gestiegen.

Worauf sollte ich als Berufseinsteiger achten, wenn ich mich in den sozialen Medien darstelle?
Es sollte einem immer bewusst sein, dass alles, was man in den sozialen Medien tut, im öffentlichen Raum geschieht – und das Internet nichts vergisst. Jedes Posting kann auch noch Jahre später von einem potentiellen Arbeitgeber gefunden werden. Ansonsten bieten die sozialen Medien natürlich hervorragende Möglichkeiten der Vernetzung und man kann seine Interessen und Talente auch entsprechend darstellen.

 

Blickpunkte eines Teilnehmers

Luka Obradovic
Stipendiat | Chemie (Bachelor), RWTH Aachen

Herr Obradovic, Sie haben an dem Workshop „Social Media Marketing: Soziale Medien und Demokratie“ von Katrin Grothe teilgenommen. Was haben Sie für sich mitgenommen?
Was mich am meisten beeindruckt hat, war die Menge an Arbeit, die sich hinter einem einzigen Beitrag eines Politikers versteckt. Obwohl mir schon bewusst war, dass Politiker*innen vielleicht nicht immer selbst auf sozialen Netzwerken auftreten, fand ich es überraschend, dass es in Social-Media-Teams bis zu mehreren dutzenden Menschen geben kann. Meiner Meinung nach war es schön, dass Katrin Grothe bereit war, ein Teil von den Geheimnissen des Social-Media-Marketings preiszugeben, und uns beizubringen, wie man einen perfekten Beitrag erstellt. Zusätzlich fand ich die Tatsache interessant, dass ein Beitrag nicht für alle Social-Media-Plattformen geeignet ist. Ich war beeindruckt von der Analyse der gewöhnlichen Nutzer und den entsprechenden Herangehensweisen bei verschiedenen Werbungen. Außerdem war es interessant zu sehen, welche soziale Netzwerke die Stipendiaten verwenden.

Welche Vorteile sehen Sie in der Nutzung sozialer Medien und welche Risiken birgt diese Art der Kommunikation?
Für mich persönlich ist der größte Vorteil von sozialen Netzwerken eben das, was der Name suggeriert: Netzwerken! Erstens ermöglichen sie uns, im Kontakt mit unseren Freunden und Familienmitgliedern zu bleiben. Es war nie einfacher, einmal kurz vorbeizuschauen, was im Leben von anderen passiert. Zweitens kann man auch beruflich netzwerken. So kann man leichter mehr Menschen erreichen, um so zu seiner gewünschten Stelle zu kommen. Auf der anderen Seite stellen soziale Netzwerke eine Suchtgefahr dar. Oft habe ich erlebt, dass meine Freunde stundenlang am Handy sitzen, ohne zu merken, wie die Zeit vergeht. Für mich sind die verschiedenen Plattformen einfach eine große Zeitverschwendung, der man sehr schwierig entkommen kann. Zusätzlich finde ich, dass man sich durch Verwendung von sozialen Netzwerken von der Realität entfernt. Wenn man ständig nur die besten Momente von anderen schaut, fühlt man sich nie gut genug. Ich glaube aber, dass man für sich selbst entscheiden muss, ob Vorteile oder Nachteile überwiegen.

Können soziale Medien Ihrer Meinung nach Politik verändern bzw. beeinflussen? Fallen Ihnen Beispiele ein?
Sie können definitiv die Politik beeinflussen, das kann man nicht abstreiten. Änderungen können sie auch mitbringen, aber das braucht ein bisschen mehr Zeit. Vor allem kann man in letzter Zeit sehen, was für eine Rolle soziale Medien in der Politik spielen. In den letzten Jahren gab es vielerlei Bewegungen, die entweder im Internet entstanden sind oder durch soziale Medien verbreitet wurden. Eine der größten Bewegungen ist wohl #FridaysForFuture von Greta Thunberg. Dadurch, dass die Bewegung so viele angesprochen hat, ist Klimaschutz ein Thema, das kein Politiker mehr ignorieren kann. So sahen wir zum Beispiel letztes Jahr die Einführung der CO2-Steuer auf Benzin, Diesel, Heizöl und Gas, damit die CO2-Reduzierungsziele erreicht und die Energiewende finanziert werden kann. Andere Beispiele, die mir einfallen, sind zum Beispiel #MeToo oder #BlackLivesMatter, die ebenso Millionen von Menschen motiviert haben, auf die Straßen zu gehen und zu protestieren.

 

„Für mich persönlich ist der größte Vorteil von sozialen Netzwerken eben das, was der Name suggeriert: Netzwerken!“

 

Wenn Sie mit anderen diskutieren: Haben soziale Medien eine wesentliche Bedeutung, sich über politische Themen zu informieren und spielen herkömmliche Medien wie z.B. Zeitungen, Fernsehen, Radio dabei noch eine Rolle?
Obwohl die herkömmlichen Medien ihre Rolle noch nicht komplett verloren haben, sind immer mehr Menschen auf sozialen Netzwerken unterwegs. Persönlich finde ich, dass es so angenehmer ist, sich über politische Themen zu informieren. Wenn man einen guten Film schaut oder das Lieblingslied im Radio hört, und genau dann eine politische Werbung kommt, fühlt man sich meistens eher genervt als informiert. Die Möglichkeit in Ruhe Informationen zu lesen, und deren Gültigkeit aus verschieden Quellen überprüfen zu können, macht soziale Netzwerke geeigneter. Zusätzlich kann man je nach Medium mit den Politikern direkt interagieren, Kommentare schreiben, Beiträge teilen etc. Das hinterlässt bei mir das Gefühl, als ob man mir direkt zuhören würde. Ich gebe den herkömmlichen Medien noch circa 20 Jahre, danach werden sie meiner Meinung nach nicht mehr relevant sein.

In Anbetracht dessen, dass soziale Medien durch Algorithmen gefiltert werden: Was meinen Sie, wie sehr wird dadurch auch die gesellschaftliche Meinung bzw. eigene Meinungsbildung beeinflusst?
Die künstliche Intelligenz, die dahintersteckt, macht mir schon Sorgen. Meine Freunde und ich machen uns oft darüber lustig, dass unsere Handys mehr über uns wissen als wir selbst. Die Algorithmen sind genau der Grund, wieso soziale Netzwerke ein hohes Suchtpotenzial aufweisen und wieso sie gefährlich sind. In der Psychologie gibt es einen Effekt namens Bestätigungsfehler. Der beschreibt die Tendenz von Menschen nach Informationen zu suchen, die unsere Meinung bestätigen und unsere Erwartung erfüllen. Dadurch kommt man in die Gefahr, dass man lediglich eine Seite des Problems sehen und sein Gegenüber nicht mehr verstehen kann. In extremen Fällen kann das zur Polarisierung führen, die die Menschheit einfach weiter spalten würde. Wer sich mit Tricks auskennt, wie man Algorithmen zu seinem Vorteil nutzen kann, kann dann schneller durch virale Beiträge viele Stimmen bei den Wahlen bekommen.

Wozu nutzen Sie selber soziale Medien und worauf achten Sie dabei?
Früher war ich bei allen sozialen Netzwerken unterwegs, bis ich gemerkt habe, dass ich mich ihretwegen schlecht fühle. Im Jahr 2017 habe ich mich dann von allen abgemeldet und die Konten gelöscht. Seitdem verwende ich nur WhatsApp zum Kommunizieren und YouTube, um Videos zu schauen. Da ich in den Online-Semestern sowieso viel auf dem Computer arbeiten muss, versuche ich in meiner Freizeit eher in die Natur zu gehen oder meine Freunde zu treffen. So viel Zeit in soziale Netzwerke will ich nicht investieren.

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